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Beim Namensaufruf wurde (unter Beobachtung der Verfassungsrorschrift
daß bei diesem die baierische Verfassung abändernden Beschlusse mehr als
drei Viertheile der Kammermitglieder anwesend waren) der Antrag der
Ausschuß-Minorität, sonach die Vorlage der Regierung mit 102 gegen
48 Stimmen angenommen.)
I. Präsident Dr. v. Weis: Meine Herren! Durch diesen Beschluß
ist das deutsche Einigungswerk vollendet und auch Baiern in das neugegrün-
dete deutsche Reich eingetreten. Geloben wir uns in dieser ernsten Stunde,
mit tener Hingebung und mit Vaterlandsliebe im besten Sinne des Wortes
an all’ dem mitzuarbeiten, was für des gesammten Vaterlandes Wohl gefor-
dert wird! Thun wir dieses, dann wird uns auch der Segen des Himmels
nicht fehlen und wir können uns dem Vertrauen hingeben, daß der Baum,
der jetzt gopflanzt ist, in kurzer Zeit feste Wurzeln schlagen und reiche Früchte
bringen wird. Zu den Früchten, die dieser Baum uns gewiß bald bringen
wird, rechne ich vor Allem einen für die deutsche Nation ehrenvollen Frieden
und die Herstellung der Eintracht nicht nur unter den deutschen Regierungen,
sondern auch unter den deutschen Stämmen und innerhalb der deutschen
Stämme unter den bis jetzt sich bekämpfenden Parteien. (Bravol) Ver-
gessen wir aber bei dem, was wir dem Gesammtvaterlande schuldig sind,
auch nicht unser engeres Vaterland Baiern. Ihm bleibt immer noch eine
große Aufgabe und indem Sie diese fördern, fördern Sie zugleich das Wohl
Deutschlands, denn vom Wohlergehen der einzelnen Staaten, aus denen das
deutsche Reich jetzt besteht, hüängt die Wohlfahrt auch des Ganzen ab. Nur
wenn die einzelnen Staaten blühen, nur dann können sie der Gesammtheit
das leisten, was im Interesse des Ganzen nöthig ist. Um diesen Gefühlen,
dem Gefühle für unser engeres Vaterland, sowie dem Gefühle der Zusam-
mengehörigkeit aller deutschen Staaten in dieser wichtigen Stunde Ausdruck
zu geben, fordere ich Sie auf, dem erlauchten Fürsten, der an der Spitze
unseres Landes steht, ein Hoch anszubringen:
Seine Majestät der König Ludwig lI. lebe hoch! — und aber-
mals hoch! — und nochmals Hoch!
(Die Kammer stimmt begeistert in den dreimaligen Hochruf ein.)
—
*) St. B. S. 3751 l.