Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Neumgyer. 831 
Ausschuß die Frage vorlegen, ob überhaupt an die Möglichkeit gedacht werden 
könne, die Verträge in irgend einer Weise noch zu modifiziren. Wäre diese 
Möglichkeit als gegeben angenommen worden, es würde wohl nicht eine 
Stimme im Ausschusse gewesen sein, die nicht für eine solche Modifikation 
sich ausgesprochen hätte; allein der Ausschuß mußte sich gleich von vorn 
herein diese Frage in unzweifelhafter Weise verneinen. Die Unmöglichkeit, 
im gegenwärtigen Stadium der Sache noch irgendwie eine Modifikation der 
Verträge zu erwirken, liegt im Hinblicke auf den Gang der Verhandlungen 
und im Hinhlicke auf den inzwischen bereits definitiv erfolgten Anschluß von 
Seite der anderen Staaten so evident auf platter Hand, daß es überflüssig 
wäre, darüber weiter zu sprechen, und daß wohl ohne weitere Erörtcrung als 
unbestritten vorausgesetzt werden darf: es habe das Hohe Haus nur zwischen 
Annahme und Ablehnung der Verträge sich zu entscheiden. (#o ist daher 
geboten, in möglichst objektiver Würdigung die Vortheile wie die Nachtheile 
ins Auge zu fassen, welche sich mit der Annahme der Verträge für unser 
Vaterland verknüpfen. 
Zuerst die Vortheile. Sie lassen sich in einem Worte zusammenfassen, 
aber es ist ein gewichtiges Wort: die Einigung der deutschen Staa- 
ten zu einem festen Bunde. Sie wird erzielt, wenn die Verträge an- 
genemmen werden. Die Einigung der deutschen Staaten zu einem Bunde, 
der — es wird das Niemand läugnen können — stark und achtunggebietend 
nach Außen dasteht, mächtig genug, dem Ganzen wie jedem einzelnen Mit- 
gliede sicheren Schirm zu gewähren und den deutschen Namen hochzustellen 
in Europa, zu einem Bunde, dessen innere Organisatien — es läßt sich auch 
das nicht in Abrede stellen — ihren allgemeinen Grundrissen nach auf einer 
richtigen Basis beruht, insoferne sie der Gesammtheit der Bundesregierungen 
im Bundesrathe, der Gesammtheit der Bundesbevölkcerung im Reichstage 
Vertretung gewährt und die Leitung des Ganzen, wie billig, in die Hände 
des naturgemäß hiezu berufenen mächtigsten Bundesstaates legt. Es wird 
dadurch ein Ziel erreicht, das alle Parteien ohne Ausnahme als wünschens- 
werth, als nothwendig anerkannt und in ihren Programmen als solches pro- 
klamirt haben; — alle Parteien ohne Unterschied, wenn auch über die concrete 
Form, in der die Einigung erfolgen sollte, natürlich bei den Einzelnen sehr 
verschiedene Vorstellungen, mitunter wohl auch gar keine Vorstellungen sich 
gehildet haben mögen. Es werden neben der Erreichmg dieses Zieles noch 
zwei weitere gewichtige Vortheile erreicht auf politischem wie auf volkswirth- 
schaftlichem Gebiete. Auf politischem Gchiete durch den endlichen Abschluß 
der Agitation, die im Kampfe um die Einigung Deutschlands das Volk nun 
schon so lange in Parteihader zerreißt und die nicht endigen wird, bis diese 
Einigung in irgend einer Weise herbeigeführt ist; auf national-ökonomischem 
Gebiete durch das endliche Aufhören jener periodisch wiederkehrenden Beun- 
ruhigungen und Spannungen, die jedesmal als verderbliche Krisen das ganze 
volkswirthschaftliche Leben des Landes durchzuckten, so oft der Moment der
	        
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