Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Neumayr. 833 
den deutschen Staaten. Ein solcher Bund, man mag seine concrete Form 
sich denken wie man will, ist aber unmöglich, wenn nicht die Regierungen 
wie die Volksvertretungen, die einzelnen Bundesstaaten von ihren Rechten 
so viel an das Ganze abtreten, als eben zur Lebensfähigkeit des Bundes 
erforderlich ist. Diese Verzichtleistungen, diese Lasten dürfen also nicht 
schlechthin als Opfer auf den Verlust-Conto der einzelnen Staaten gestellt 
werden, sondern sie müssen als Kaufpreis betrachtet werden, für den die 
Einigung erlangt wird und erlangt werden kann. Auch gegen die Bedenken, 
welche allenfalls gegen die Größe dieses Kaufpreises erhoben werden möchten, 
stehen gewichtige Erwägungen gegenüber, welche geeignet find, diese Größe 
in einem minder erschreckenden Lichte erscheinen zu lassen. Wenn Soureräni= 
tätsrechte abgetreten werden, so darf nicht unerwogen bleiben, daß Baiern 
nie ein vollständig sonveräner Staat im eigentlichen und eminenten Sinn 
des Wortes gewesen ist. So lange Baiern besteht, gehörte es jederzeit einer 
größeren staatlichen Verbindung in der einen oder anderen Weise an und 
mußte sich der Unterordnnng fügen, die mit selcher Angebörigkeit nothwendig 
verbunden ist. Inobesondere auch zur Zeit des Deutschen Bundes, um nur 
auf die letzte Geschichtsperiode zurückzugreifen, bestand ein solches Unterord- 
nungsverhältniß. Auch damals war Baiern zur unbedingten Heerfolge in 
jedem Bundeskriege verpflichtet, auch damals war das baierische Heer ein 
Bestandtheil des Bundesheeres und dem Oberbefehle des Bundesfeldherrn im 
Kriege unterstellt. Auch damals war die Präsenzstärke des baicerischen Con- 
tingents durch Bundesgesetz geregelt und zwar in derselben Weise, wie es 
jetzt sein soll, nach einem Prozent der Bevölkerung; auch damals gab es 
Schiedsgerichte, Austrägalgerichte, Bundes-Erecutionen, denen der einzelne 
Bundesstaat sich zu unterwerfen hatte. Wenn ferner die Verzichtleistung auf 
Gesetzgebungsrechte in Frage steht, so kommt zu erwägen, daß uuter den An- 
gelegenheiten, welche die Bundesrerfassung auf das Gebiet der Bundesgesetz- 
gebung hinweist, keine ist, von der sich behaupten ließe, ihre Behandlung im 
gemeinsamen Wege der Bundesgesetzgebung bedrohe Baiern mit einer Be- 
schädigung, es seien die Interessen Baiems hier spezifisch verschieden von 
denen der anderen Staaten. Dagegen muß anerkannt werden, daß unter 
jenen Angelegenhciten viele sind, die wirklich unbedingt den Charakter allge- 
meiner Angelegenheiten an sich tragen, wirklich die Interessen aller deutschen 
Staaten völlig gleichmäßig berühren und daher ihre Behandlung zweckmäßiger 
im Wege der Bundesgesetzgebung, als in dem der Gesetzgebung der einzelnen 
Staaten finden. Wenn endlich Lasten übernommen werden müssen, so 
liegt hierin nur wieder die nothwendige Consequenz eines jeden Bundesver- 
hältnisses. In jedem Bunde muüssen eben gemeinsame Lasten gemeinsam 
getragen werden; in keinem Bunde kann ein Mitglied verlangen, daß ihm 
ein geringerer Antheil an den Bundeslasten zugewiesen werde, alls allen 
übrigen. Auch darf nicht außer Erwägung bleiben, daß gerade die schwerste 
der hier in Frage stehenden Lasten — der Aufwand für das Heer — für 
Materialten III. 53
	        
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