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den deutschen Staaten. Ein solcher Bund, man mag seine concrete Form
sich denken wie man will, ist aber unmöglich, wenn nicht die Regierungen
wie die Volksvertretungen, die einzelnen Bundesstaaten von ihren Rechten
so viel an das Ganze abtreten, als eben zur Lebensfähigkeit des Bundes
erforderlich ist. Diese Verzichtleistungen, diese Lasten dürfen also nicht
schlechthin als Opfer auf den Verlust-Conto der einzelnen Staaten gestellt
werden, sondern sie müssen als Kaufpreis betrachtet werden, für den die
Einigung erlangt wird und erlangt werden kann. Auch gegen die Bedenken,
welche allenfalls gegen die Größe dieses Kaufpreises erhoben werden möchten,
stehen gewichtige Erwägungen gegenüber, welche geeignet find, diese Größe
in einem minder erschreckenden Lichte erscheinen zu lassen. Wenn Soureräni=
tätsrechte abgetreten werden, so darf nicht unerwogen bleiben, daß Baiern
nie ein vollständig sonveräner Staat im eigentlichen und eminenten Sinn
des Wortes gewesen ist. So lange Baiern besteht, gehörte es jederzeit einer
größeren staatlichen Verbindung in der einen oder anderen Weise an und
mußte sich der Unterordnnng fügen, die mit selcher Angebörigkeit nothwendig
verbunden ist. Inobesondere auch zur Zeit des Deutschen Bundes, um nur
auf die letzte Geschichtsperiode zurückzugreifen, bestand ein solches Unterord-
nungsverhältniß. Auch damals war Baiern zur unbedingten Heerfolge in
jedem Bundeskriege verpflichtet, auch damals war das baierische Heer ein
Bestandtheil des Bundesheeres und dem Oberbefehle des Bundesfeldherrn im
Kriege unterstellt. Auch damals war die Präsenzstärke des baicerischen Con-
tingents durch Bundesgesetz geregelt und zwar in derselben Weise, wie es
jetzt sein soll, nach einem Prozent der Bevölkerung; auch damals gab es
Schiedsgerichte, Austrägalgerichte, Bundes-Erecutionen, denen der einzelne
Bundesstaat sich zu unterwerfen hatte. Wenn ferner die Verzichtleistung auf
Gesetzgebungsrechte in Frage steht, so kommt zu erwägen, daß uuter den An-
gelegenheiten, welche die Bundesrerfassung auf das Gebiet der Bundesgesetz-
gebung hinweist, keine ist, von der sich behaupten ließe, ihre Behandlung im
gemeinsamen Wege der Bundesgesetzgebung bedrohe Baiern mit einer Be-
schädigung, es seien die Interessen Baiems hier spezifisch verschieden von
denen der anderen Staaten. Dagegen muß anerkannt werden, daß unter
jenen Angelegenhciten viele sind, die wirklich unbedingt den Charakter allge-
meiner Angelegenheiten an sich tragen, wirklich die Interessen aller deutschen
Staaten völlig gleichmäßig berühren und daher ihre Behandlung zweckmäßiger
im Wege der Bundesgesetzgebung, als in dem der Gesetzgebung der einzelnen
Staaten finden. Wenn endlich Lasten übernommen werden müssen, so
liegt hierin nur wieder die nothwendige Consequenz eines jeden Bundesver-
hältnisses. In jedem Bunde muüssen eben gemeinsame Lasten gemeinsam
getragen werden; in keinem Bunde kann ein Mitglied verlangen, daß ihm
ein geringerer Antheil an den Bundeslasten zugewiesen werde, alls allen
übrigen. Auch darf nicht außer Erwägung bleiben, daß gerade die schwerste
der hier in Frage stehenden Lasten — der Aufwand für das Heer — für
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