Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

840 Baiern. Kammer der Reichsräthe. 
Deutschen Bund eingetreten sind, können wir Baiern nicht außerhalb des 
Bundes bleiben, wir befänden uns sonst in einer isolirten Stellung. Ja man 
sagt weiter: wenn Baierm auch vorerst wie bisher bestehen kaun, wenn man 
diese Möglichkeit auch zugeben will, cs kommt bald das Jahr 1877; dann 
hört der jetzige Zollvereinsvertrag auf, dann werden wir mit Hohn gezwungen 
werden ohne alle Bedingung in den Bund einzutreten. Meine Hohen 
Herren, auch ich habe von Jugend auf warm für die deutsche Einheit ge- 
fühlt, ich dachte mir aber die deutsche Einheit anders, als so wie wir sie 
durch diese Verträge aufbauen sollen. Ich dachte nicht die deutsche Einheit, 
mit der einzigen Basis eines unermeßlich großen Heeres sondern ich dachte 
mir sie allerdings stark nach Außen aber frei nach Innen. Das ist meine 
innigste Ueberzengung: ein Staat, eine Föderation, der es an der Freiheit, 
an der Möglichkeit freiheitlicher Entwickelung fehlt, hat keine Zukunft. Ich 
weiß sehr wohl, daß die Partei, welche seit 1848 dem Ziele zusteuert, vor 
dem wir zur Zeit stehen, auf ihre Fahne geschrieben hat: „Durch die Ein- 
heit zur Freiheit.“ Ja, meine Hohen Herren, das ist mir wohl bekannt! 
Diese Freiheit aber und die Wege, die zu dieser Freiheit führen, sind nicht 
die meinigen und wohl auch nicht die Ihrigen! Was die Ansicht betrifft, 
daß Baiern, nachdem Würtemberg und Baden in den Deutschen Bund ein- 
getreten sind, sich in seiner isolirten Stellung nicht halten könne, kann ich 
versichern, daß sie mir absolut unverständlich ist. Baiern, ein Land mit einer 
Bevölkerung von nabezu 5 Millionen Scelen, ein Land durch seinen Reich- 
thum berühmt, ein Land mit geschonter Steuerkraft wie nicht leicht ein au- 
deres, ein Land mit vollständig geordneten Finanzen, — das soll unfährg sein, 
für sich fortzubestehen? Ich glaube, wenn ein Land, welches Eigenschaften 
wie Baiern hat, nur das Selbstbewußtsein hegt, das nothwendig ist, — dam 
brancht sich dasselbe nicht zu fürchten. Allerdings fehlt das Selbstbewußtsein, 
dann steht es schlimm um das arme Land! Was die Befürchtung betrifft, 
daß wir im Jahre 1877 gezwungen werden, unter dem schallenden Gelächter 
der Bundesgenossen ohne alle Bedingung in den Bund cinzutreten, bin ich 
ganz anderer Ansicht. Ich glaube nicht und werde es nimmermehr glauben, 
daß unser mächtiger norddeutscher Alliirter, an dessen Seite wir unsere Fahnen 
siegreich an die Ufer der Leire und Seine getragen haben, uns je zwingen 
wird, unsere Unabhängigkeit aufzugeben; ich halte dies zu sagen für eine 
Beleidigung Preußens, welche auszusprechen ich mich nie unterstehen würdel 
Zum Schlusse gestatteu Sie mir, an eine Sitzung dieses Jahres zu erinnern, 
und zwar an die Sitzung vom 28. Januar und erlauben Sie mir, Ihnen 
den Satz vorzulesen, den Sie in der damals mit großer Majorität angenom- 
menen Adresse der Thronrede’) entnommen haben. Dieser Satz lautet: „Wenn 
die deutschen Stämme sich nicht selbst aufgeben, sichern sie die Möglichkeit 
einer gedeihlichen Entwickelung Gesammtdeutschlands auf dem Boden des 
Rechts.“ Nun, meine Hohen Herren, was Sie damals gesagt haben, — be- 
) Siehe unten.
	        
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