Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Hohenlohe. 841 
thätigen Sie es nun! Ich für meinen Theil bin nicht im Stande für die 
Verträge zu stimmen, durch welche die Rechte der Krone, die Rechte des 
baierischen Volkes untergehen werden. 
Fürst v. Hohenlohe’): Ich stimme für die Annahme des Vertrages. 
Wenn ich mir erlaube, mein Votum mit einigen Worten zu begründen, so 
geschieht es nicht in der Absicht Ihnen zu beweisen, daß diese Verträge die 
Selbstständigkeit Baierns unbeeinträchtigt lassen. Ich gestehe dem Herrn 
Vorredner zu, daß die baierische Selbstständigkeit oder besser gesagt die 
Sonderstellung Baierns in Deutschland durch diesen Vertrag mehr und tiefer 
erschüttert wird, als dies durch irgend eine staatsrechtliche oder internationale 
Verbindung geschehen ist, in der sich Baiern seit Abschluß des westphälischen 
Friedens befunden hat. Allein, meine Hohen Herren, mir scheint die Frage 
nicht so zu liegen, ob durch diesen Vertrag die baierische Selbstständigkeit 
gefährdet sei und wir ihn deshalb ablechnen müßten, — sondern wir müssen die 
Frage so stellen: Sollen wir trotz der Beschränkung der Selbstständigkeit, 
welche dieser Vertrag mit sich bringt, ihn dennoch annehmen? Und auf diese 
Frage muß ich entschieden mit Ja antworten. Ich stütze mich nicht auf die 
Gründe, welche der Herr Vorredner für die Annahme vorgebracht hat son- 
dern auf die uns vorliegenden Thatsachen. Wollen Sie mich aber nicht mißver- 
stehen. Ich bin kein blinder Aubeter des Erfolges. Ich glaube, meine poli- 
tische Vergangenheit gibt dafür Zeugniß. Wenn ich also von der bestimmenden 
Macht historischer Thatsachen rede, so meine ich nicht die großen Ereignisse 
dieses Jahres allein, sondern ich gehe auf die ganze deutsche Eutwicklung 
zurück. Und da scheint es mir nun, daß zwei Thatsachen vor Allem einge- 
wirkt haben, die baierische Politik in neue Bahnen zu leiten und die Stellung 
Baierus, wie sie sich in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, zu modi- 
fiziren und Baiern fester au Deutschland anzuschließen. Die eine dieser 
Thatsachen ist: das erwachte Nationalgefühl des deutschen Volkes, die andere 
Thatsache ist: die veränderte Machtstellung der deutschen Großmächte. Mit 
der Königswürde hatte Baiern im Jahre 1806 den Höhepunkt der Politik 
erreicht, die ich als die Sonderstellung bezeichnet habe und die in der allge- 
meinen Lage des Deutschen Reiches und in der Abwesenheit jeden National- 
gefühls ihre Erklärung, wenn nicht ihre Berechtigung fand. Der deutsche 
Reichsrerband, seit dem westphälischen Frieden mehr und mehr zerbröckelud, 
war endlich ganz zusammengebrochen. Baiern hatte wenigstens in formeller 
Beziehung die volle Souveränität erlangt. Allein schon wenige Jahre darauf 
verzichtete es auf wesentliche Rechte zu Gunsten des Deutschen Bundes, und 
was hier vor Allem bestimmend eingewirkt hat, war die Achtung vor dem 
erwachten Nationalgefühl des deutschen Volkes. Nach der Erhebung der 
Freiheitskriege war eine Fortsetzung der Rheinbundpolitik nicht möglich. Und 
als im Jahre 1866 Baiern nach Auflösung des Deutschen Bundes zum 
*) S. 64.
	        
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