Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Hohenlohe. 843 
hältnissen Rechnung tragende für die baierische Selbstständigkeit möglichst 
günstige Stellung zu erlangen. Sie wissen, meine Hohen Herren, daß ich 
mich der letzteren Meinung angeschlossen habe und Sie kennen die Bemühnn= 
gen, welche die baierische Regierung während meiner Amtoführung aufge- 
wendet hat, um zu diesem Ziele zu gelangen. Wenn diese Bemühungen 
ohne Erfolg geblieben sind, so kann ich meine politischen Gegner des In- 
und Auslandes nicht von aller Schuld freisprechen. Das geringe Maß von 
Opfern, mit welchen damals noch die Verbindung mit dem Norden von 
Deutschland zu erreichen gewesen wäre, erschien meinen politischen Gegnern 
des Inlandes als übergroße Beschränkung der Selbstständigkeit; das Ausland, 
dessen Einfluß sich geltend machte, erblickte darin eine Verletzung des Prager 
Friedens. Das Losungswort jener Zeit war Aufrechthaltung des status quo, 
wohl nicht ohne die geheime Hoffnung auf Wiederherstellung des status quo 
ante, das heißt auf Wiederherstellung eines dem ehemaligen Deutschen Bunde 
ähnlichen Zustandes unter gleichzeitiger Niederwerfung Prcußens. Diese 
Pläne und Hoffnungen hat die von den Gegnemn unterschätzte Macht des 
preußischen Volkes und Heeres, hat die deutsche Gesiunung Süddeutschlands, 
hat endlich und vor Allem der mämmliche Entschluß unseres Königs im Juli 
dieses Jahres zu Nichte gemacht, und jene Hoffnungen sind begraben worden 
in den Schlachten des deutschen Krieges und in den Verträgen von Versailles. 
Diese Verträge sind aber nicht das Resultat norddeutscher Ueberlistung oder 
süddeutscher Schwäche, sie sind — und ich glaube es nachgewiesen zu haben, 
— das naturnothwendige Ergebniß einer historischen Entwicklung, in welche 
einzugreifen nicht dem einzelnen Individuum und nicht Staaten von der 
Größe Baierns vergönnt ist. — Was nun den Vertrag in seinen Theilen be- 
trifft, so will ich nicht näher darauf eingehen, um so mehr als ich nicht die 
Absicht habe, Abänderungen in Vorschlag zu bringen oder denselben, wenn 
sie gemacht werden sollten, zuzustimmen. Ich gestehe übrigens offen, daß 
mir der Werth mancher der in dem Vertrage enthaltenen Reserratrechte für 
Baiern selbst mehr als zweifelhaft erscheint. Ich hätte gewünscht, daß weniger 
Gewicht auf die Sicherung des Partikularismus, auf Erhaltung einzelner 
Institutionen und Gesetzgebungsbruchtheile für die specifisch-baierische Regie- 
rungsthätigkeit, als darauf gelegt worden wäre, daß in der deutschen Gemein- 
samkeit nach föderativem Prinzipe überall die Theilnahme Baierns an der 
Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten gewahrt geblieben wäre. Ich 
will aber, wie gesagt, keine Kritik üben, ich will vielmehr nicht versäumen, 
auszusprechen, daß die Männer, welche diesen Vertrag unter schwierigen Ver- 
hältnissen zu Stande gebracht, sich ein großes Verdienst erworben haben; 
denn der Vertrag in seinen einzelnen Theilen tritt zurück vor der großen 
Thatsache des neugegründeten Deutschen Reiches. Hier ist der Keim einer 
großen Zukunft für Deutschland gelegt, und die hochherzige Initiative unseres 
Königs und die unrerzögerte Zustimmung der deutschen Fürsten gibt die 
Bürgschaft, daß das neue Deutsche Reich auch wirklich Wesen und Inhalt
	        
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