844 Baiern. Kammer der Reichsräthe.
gewinnen wird. Wenn unser heutiges Votum dazu beiträgt, daß ein Deutsches
Reich geschaffen wird mit starker Centralgewalt und freigewählter Volksrer-
tretung, wenn von nun an an die Stelle ruheloser und unfruchtbarer Sonder-
bestrebungen eine Deutsche Politik tritt, an der wir loyal und ehrlich mit-
arbeiten, wenn, wie Seine Königliche Hoheit mit Recht bemerkt haben,
eine feste Gestaltung des Deutschen Reiches die Möglichkeit gewährt, mit
dem österreich-ungarischen Nachbarreiche dauernde freundschaftliche Beziehungen
anzuknüpfen, welche die einzige Garantie für den europcischen Frieden sind,
wenn ferner von nun an jeder Deutsche stolz darauf sein wird, in allen
Ländern des Erdballs sich Bürger des Deutschen Reiches zu nennen, — des
Reiches, das ihn schützt und in seinen Interessen fördert, — wenn diese Ziele
erreicht werden, — dann, meine Hohen Herren, können wir wahrhaftig sagen,
daß wir Theil haben an einer großen That, indem wir diesem Vertrage zu-
stimmen, und daß die Ströme von Blut und Thränen, die dieser Krieg kostet,
nicht umsonst geflossen sind!
Schluß der Diskussion’).
Staatsminister der Justitz von Lutz. Der Herr Referent sagt:
Mit freudigem Herzen, wenn ich ihn recht rerstanden habe, würde er den
Verträgen zugestimmt haben, wenn die Rechte, die die Krone abzutreten hat,
in der That an die Gesammtheit abgetreten würden und wenn die Rechte,
welche die Volksvertretung aufgeben muß, nicht untergingen, — untergingen
um deswillen, weil jene Rechte in der Bundesverfassung dem Reichstage nur
in unvollkommener Weise zugestanden seien, welche bisher bei uns die Volks-
vertretung in rollkommener Weise zu üben in der Lage gewesen ist. Meine
Hohen Herren! Ich bin in der That nicht in der Lage zu behaupten, daß
die Acußerungen des Herrn Referenten in diesem Punkte gar keinen
Widerhall in unseren Herzen gefunden hätten. Ich bin nicht in der Lage
zu behaupten, daß alles das, was der Herr Referent angedeutet hat, aller
und jeder Begründung entbehre, und ich darf wohl beifügen, daß die Mängel,
die an dem Vertragswerke in dieser Beziehung gerügt werden, uns lebhaft
vor Augen gestanden sind. Die Empfindungen, um die es sich jetzt handelt,
haben uns wiederholt den Versuch abgenöthigt zu einer entsprechenderen Ge-
staltung der Bundesverfassung zu gelangen. Diese Versuche sind nicht ge-
lungen und wir mußten die Empfindungen, ven denen jetzt die Rede ist,
mieerdrücken dem Gedanken gegenüber, daß sie immer noch von geringerer
Bedeutung und von geringerem Gewichte sind als das unabweisbare Be-
dürfniß nach einer Einigung Baierns mit den übrigen deutschen Staaten.
Aber ich kann auch nicht zugeben, daß die Bedenken, welche der Herr Referent
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