Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Lut.— 845 
in dieser Bezichung geltend gemacht, in gar keiner Weise übertrieben worden 
wären. Meine Hohen Herren! Mir scheint in der That, als wenn dem 
Umstande, daß ein Theil der Kronrechte an eine andere Krone übertragen 
wird, ein allzugroßes Gewicht beigelegt worden wäre. Das kann doch in 
keiner Weise beanstandet werden wie mir dünkt, daß dem Reiche, das wir 
gründen, daß dem Bunde, dem wir uns anschließen, eine Spitze gegeben 
werde. Daß diese Spitze eine Krone und nur eine bestimmte Krone ist, das, 
meine hohen Herren, ist die natürliche Folge des Umstandes, dessen Bedeutung 
ich gewiß nicht unterschätze, daß die größeren und kleineren Staaten in den 
Bund treten mit einer einzigen Großmacht; das ist die Folge des Umstandes, 
den wir beklagen, dessen Aenderung wir wünschen könnten, dessen Aenderung 
aber herbeizuführen Niemand von ums stark genug ist! Aber — dessen ungeachtet 
ist die Krönung des Gebäudes mit einer Spitze ganz unumgänglich noth- 
wendig. Meine hohen Herren! Niemand denke ich mir wird sich wünschen, 
daß Deutschland reconstruirt werde auf dem Boden des alten untergegangenen 
Deutschen Bundes. Weil er das, was man von ihm erwarten zu können 
glaubte, nicht geleistet hat, dethalb haben sich alle Blicke von ihm abgewendet, 
und des halb konnte er dem Untergange nicht entgehen. Ich behaupte nicht 
zu viel von dem alten Deutschen Bunde mit den Worten, die ich eben zu 
sprechen mir erlaubt habe; nicht zuviel, wenn Sie auch annehmen, daß er 
uns einen fünfzigjährigen Frieden geschaffen hat — obwohl die Richtigkeit dieser 
Behauptung meines Erachtens wohl angezweifelt werden kann; ich weiß nicht, 
ob ich nicht recht hätte, wenn ich sagte, daß wir nicht, weil wir jenen Bund 
hatten, son dern obschon wir nur diesen Bund und keinen andern hatten, 
50 Jahre Frieden behalten haben. — Dieser fünfzigjährige Friede ist das Pro- 
dukt ganz anderer Elemente als des Umstandes, daß eine glücklich organisirte 
Föderation Deutschland beschirmt und bewacht hätte; wie ich mir denke, ist 
es die allgemeine Schwäche, die als Folge der großen Stürme beim Beginne 
dieses Jahrhunderts allen Völkern eigen gewesen ist, die uns den Frieden 
aufgedrängt hat, — jenen fünfzigjährigen Frieden, der zu verschiedenen Malen 
in der dringendsten Gefahr gewesen ist gebrechen zu werden. Einen solchen 
Bund zu gründen haben wir allerdings nicht beabsichtigt! Was wir mitzu- 
bilden uns vorgenommen hatten, war ein kräftiges, wirksames Staatengebilde, 
und ein solches, meine Hohen Herren, wäre sicherlich nicht denkbar gewesen, 
wenn die Ausübung der Regiermgsrechte ausschließlich in die Hand eines 
Kollegiums nach Art des Bundesrathes gelegt worden wäre. Mit einer 
solchen Organisation wäre die Schwäche, die Uneinigkeit und der Mangel 
einer kräftigen Repräsentation nach Außen auch für die nächste Zukunft von 
Neuem besiegelt worden! Für das Oberhaupt des Bumdes gilt es alle Matt- 
herzigkeit ferne zu halten, es gilt zu handeln und dazu bedarf diese Spitze 
meines Erachtens unmngänglich der Einheit! Indessen auch das, glaube ich, 
hat der Herr Referent in seinem Vortrage überschätzt, daß die Sxitze zu 
sehr nach Einheit, nach Unifikation dränge und mit zu viel Gewalt für die
	        
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