Neumayr. 851
Sicherheit gewährt ist. Nicht die Schlußworte des zweiten Absatzes des Ar-
tikels 35 der Bundesverfassung scheinen mir in dieser Richtung das Wesent-
liche zu enthalten, sondern die Bestimmung, welche der baierische Vertrag in
Nummer . aufführt, welche lautet: „Diejenigen Vorschriften der Verfassung,
durch welche bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältiß
zur Gesammtheit festgestellt sind, iusbesondere soviel Baiern angeht, die unter
Ziffer III. dieses Vertrages aufgeführten Bestimmungen können nur mit Zu-
stimmung des berechtigten Bundesstaates abgeändert werden.“ Es dürfte
hieraus die Richtigkeit dessen hervorgehen, was Seine Ercellenz der Herr
Staats minister der Justiz angeführt hat, daß nämlich eine Aenderung
bezüglich des Malzaufschlages durch die Bundesgesetzgebung nur dann erfolgen
kann, wenn Baiern selbst einwilligt. — Gegen diesenigen Gründe, welche der
Ausschuß als die zuletzt überwiegenden erachtet hat und welche ihn allein
bewogen haben, die Annahme der Verträge trotz dieser Bedenken zu begut-
achten, haben der Herr Reichsrath Freiherr zu Franckenstein zwei Ein-
wände erhoben. Insoferne nämlich, als ein solcher durchschlagender Grund
vom Auseschusse angeführt wurde, daß eine isolirte Stellung Baierns nicht
haltbar sein würde, wenn größere europäische Verwickelungen hereinbrechen
sollten, baben der Herr Reichsrath angeführt, daß ein Staat von der
Größe, der guten Finanzlage und den sonstigen günstigen Verhältnissen
Baierus immerhin selbstständig bleiben könne, es komme, was da wolle.
Meine Hohen Herren! Ich glaube nicht, daß diese Behauptung vereinbar ist
mit der dermalen maßgebenden Lage der enropäischen Staaten. Jedenfalls
würde sie aber nur dann zutreffen können, weun ein solcher Staat in seiner
ganzen Bevölkerung von einer politischen Gesinnung durchdrungen wäre,
wenn alle Staatsbürger für die Aufrechthaltung der Selbstständigkeit ihres
Gemeinwesens mit jedem Opfer einzustehen bereit wären, und wenn die
Macht dieser Gesinnung auch nicht durch die leiseste gegentheilige Partei-
strömung abgeschwächt wäre. Ich frage, meine Hohen Herren, ob so die
Verhältuisse Baierns gestaltet sind? Sie werden das verneinen müssen! Wenn
ferner der Ausschuß als Motiv seines Antrages augeführt hat, daß jedenfalls
bei Erneuerung der Zollverträge Baiern gezwungen sein werde, in den Bund
einzutreten, so haben der Heir Reichsrath dem nur eutgegengesetzt: sie
könnten nicht annehmen, daß Preußen mit einem treuen Bundesgenossen so
gröblich verfahren werde, ihm die Zollvereinsverträge zu künden. Meine
Hohen Herren! Ich nehme das allerdiugs an und erlauben Sie mir beizufügen:
ich finde in dieser Annahme durchaus keine Beleidigung Preußens, wie der
sehr geehrte Herr Vorredner. Im politischen Leben gilt der Grundsatz,
doß die Gemüthlichkeit aufhört. Jeder Staat wird in jedem einzelnen Falle
des internationalen Verkehrs dasjenige thun, was er seinen Interessen ange-
messen hält, sei es auch gegen einen gewesenen Verbündeten, und das wird
auch in diesem Falle geschehen. Was schließlich die Acußerung Seiner
Excellenz des Herrn Staatsministers der Justiz betrifft, so erlaube ich
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