Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

I. Session des deutschen Reichstages. 
Das neue Reich ist dem selbsteigenen Geiste des Volkes entsprungen, 
welches, nur zur Abwehr gerüstet, unwandelbar den Werken des 
Friedens ergeben ist. In dem Verkehr mit fremden Völkern fordert 
Deutschland für seine Bürger nicht mehr, als die Achtung, welche 
Recht und Sitte gewährleisten, und gönnt, unbeirrt durch Ab- 
neigung oder Zuneigung, jeder Nation die Wege zur Einheit, jedem 
Staate die beste Form seiner Gestaltung nach eigener Weise zu 
finden. Die Tage der Einmischung in das innere Leben anderer 
Völker werden, so hoffen wir, unter keinem Vorwande und in keiner 
Form wiederkehren. 
Eurer Majestät folgen wir mit freudiger Zustimmung zu den 
dringenden Aufgaben, welche der beendete Krieg, und zu den dauern- 
den Aufgaben, welche die Verfassung des Reiches uns stellt. Alle 
unsere Kräfte werden zuerst dem hohen Berufe gewidmet sein, die 
Wunden zu heilen, welche der Krieg geschlagen hat, und die Pflicht 
des Vaterlandes zu erfüllen gegen Diejenigen, welche Leben oder Ge- 
sundheit für seinen Schutz geopfert haben. 
Allen Vorlagen werden wir unsere aufmerksame Mitthätigkeit zu- 
wenden. Es überrascht nicht, daß der Krieg die Vorarbeiten der 
regelmäßigen Gesetzgebung verzögert hat, und vermindert nicht unsere 
Hoffnung, daß die Gesetzgebung des Reiches sich eben so fruchtbar 
erweisen wird, wie die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes. Die 
umfangreiche Einführung Norddeutscher Gesetze in den Südstaaten 
erhöht unser Vertrauen zu dem harmonischen Zusammenwirken aller 
Glieder des Reiches, auch der Organe, welche berufen sind, die ein- 
zelnen Staaten zu vertreten. 
Mit Genugthuung vernehmen wir, daß aus der Kriegsentschädi- 
gung zunächst das Bedürfniß des Reiches, sodann die berechtigten 
Ansprüche seiner Mitglieder befriedigt werden sollen. 
Für das Wohl der für Deutschland zurückerworbenen Gebiete ist 
das Deutsche Volk mit den wärmsten Gefühlen brüderlicher Theil- 
nahme erfüllt. Die schönsten Denkmäler deutscher Kultur und 
deutschen Volkslebens erinnern an deutsche Vergangenheit in Elsaß 
und Lothringen. Lange Entfremdung hat manche Spuren eines 
reichen Jahrtausends deutscher Geschichte verwischt, doch unsere 
Sprache und Sitte sind der Mehrzahl des Volkes noch unrerloren. 
Mäögen Gesetzgebung und Verwaltung zusammenwirken, an diese 
Beziehungen überall anzuknüpfen, das Wiedererwachen des deutschen 
Geistes zu unterstützen und in der Versöhnung der Gemüther die 
Bande zu stärken, welche die herrlichen Provinzen mit dem übrigen 
Deutschland wieder vereinigen. In diesem Geiste werden wir uns 
den Arbeiten widmen, welche die Grundlagen der neuen Ordnung 
schaffen oder vorbereiten sollen.
	        
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