Duncker. Wingers. 871
würde mir interessant sein, vielleicht von Seiten des Bundesraths-Tisches zu
erfahren, welche Gründe denn etwa maßgebend gewesen sind, den Ausdruck
Bundesgebiet beizubehalten sowie die ähnlichen entsprechenden Ausdrücke, die
in der Verfassung sich finden, wie Bundesrath und andere.
Wiggers aus Rostock (Parchim-Ludwigslust)"): Meine Herren, der
Passus in dem Eingang des Gesetzes, wonach das gültige Recht innerhalb
des Bundesgebietes geschützt werden soll, stimmt ganz genau mit den betref-
fenden Worten der Verfassung des Norddeutschen Bundes überein. Diese
Worte haben aber innerhalb des Bundesraths und innerhalb des Reichstags
eine verschiedene Auslegung gefunden. Es war nämlich im Jahre 1869,
daß Petitionen aus Mecklenburg an den Reichstag eingingen, und zwar da-
hin, den Bundesrath zu veranlassen, daß das Verfassungsrecht in Mecklen-
burg-Schwerin und zunächst die Kompetenz des sogenannten Freienwalder
Schiedsspruchs zur Fällung des Urtheilsspruchs einer Prüfung unterzogen
werde, und demgemäß weiter zu procediren. Diese Petitionen wurden auf
den Vorschlag der damaligen Petitionskommission von dem Reichstage mit
großer Majorität dem Bundesrath zur Prüfung überwiesen, und hat ersterer
damit anerkannt, daß, wenngleich das gültige Verfassungsrecht gewährleistet
ist, es dennoch möglich ist, auf Grund des Artikels 76 der Bundesverfassung
die Rechtsbeständigkeit einer Verfassung anzufechten '). Im Widerspruch damit
hat der Bundesrath eine andere Entscheidung gefällt und die Petenten sofort
abgewiesen, und zwar mit der wörtlich lautenden Erwägung: „daß die in
Folge des schiedsrichterlichen Urtheils vom 11. September 1850 wiederher-
gestellte landständische Verfassung zur Zeit der Einrichtung des Norddeutschen
Bundes in anerkannter Wirksamkeit bestand, und daß deshalb das in dieser
Verfassung sich gründende Recht als das gültige Verfassungsrecht im Sinne
des Eingangs der Bundesverfassung angesehen werden muß."“ Meine Herren,
auch ich kann mit dieser Auslegung mich nicht einrerstanden erklären und
sehe mich daher veranlaßt, gegen diese Auffassung Verwahrung einzulegen,
damit nicht aus einer stillschweigenden Annahme dieser Worte die Richtigkeit
der Interpretation des Bundesraths gefolgert werde. Es ist hier nicht die
Stelle und jetzt nicht der Angenblick, auf die mecklenburgische Sache weiter
einzugehen. Ich will nur kurz bemerken, daß die Verwahrung weiter nichts
bezweckt, als zu sagen: die Worte im Eingang sind bestritten — und den status
duo aufrecht zu erhalten. Diese Verwahrung will ich nur mit zwei Worten
motiviren. Das „gültige"“ Recht ist offenbar gesagt im Gegensatz zu dem
„faktisch bestehenden“" Recht. Die rechtlich bestehenden Verfassungen und Ge-
setze sollen im Gegensatz zu den faktisch bestebenden geschützt werden. Wenn
zwischen verschiedenen Staaten Verträge abgeschlossen werden, kann die Gül-
tigkeit dieser Verträge dadurch nicht in Frage gestellt werden, daß gesagt
*) Se. B. S. 94 r. g. o.
*#) Siehe unten.