Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

890 I. Session des deutschen Reichstages. 
Herren! GEs handelt sich jetzt nicht darum, daß wir verlangen sollten von 
Ihnen die Wiederherstellung Polens: das ist eine andere Frage, welche 
Grenzen Polen haben wird, diesen Antrag bringen wir in dieses Haus nicht 
ein, denn ich sehe, wir periklitiren sogar, mit unserem Antrage, der sich auf 
positives Recht stützt, nicht durchzukommen. Also dicse Anträge überlassen 
wir dem Laufe der Geschichte, und die Macht der Logik der Ereignisse ist 
mächtiger und größer als die größte menschliche materielle Macht sowobl 
einzelner Männer als aller Staaten zusammen. Ich fahre fort mit der Be- 
leuchtung der Satzungen des Wiener Vertrages, auf den wir uns berufen 
baben. Als im Jahre 1815 auf dem Wiener Kongresse neue Territorial= 
bestimmungen getreffen wurden, hat man schon damals die Notlwendigkeit 
der Wiederberstellung Polens anerkannt. Obgleich aber Motive des Gigen- 
nutzes oder der Misgunst den Gedanken der Wiederberstellung eines freien, 
selbstständigen Poleus zurückdrängten, baben doch auch dort die pariscirenden 
Mächte zur Grbaltung des Rechtes und Friedeus GEuropas die polnische Na- 
tionalität, die ihre Lebenskraft eben auf unzähligen Wahlstätten 
bewährt hat. in der europäischen Völkerfamilie anerkannt, sie 
schufen im Interesse Europas und in der Anerkennung der Berech- 
tigung des polnischen Volkes bei der neuen eurorxäischen Staatenord- 
nung für dasselbe einen besonderen eigenthümlichen staats= und 
völkerrechtlichen Zustand — gleichsam den Polen zum Troste, daß sie 
nicht ganz vergebens für ihr Vaterland gekämpft haben. Man stellte näm- 
lich das Land unter drei Fürsten, ohne das Land als vollständig getheilt an- 
zusehen, vielmehr erkannte man zwischen den einzelnen Theilen eine Integrität. 
eine territoriale Einbeit, indem innerhalb der Grenzen des alten Polens 
von 1772 trotz der drei verschiedenen Scepter nicht nur im Grenz- 
verkehr sondern auch in allen merkantilischen Beziehungen die größten gegen- 
seitigen Erleichterungen ausbedungen wurden, so daß das Land hinsichtlich 
der Schifffahrt, der Kultur, der Industrie und des Handels als ein zusammen- 
bängendes nationales Ganze anerkannt worden ist mit der dem polnischen 
Volke gegebenen Zusicherung nationaler Institutionen und Repräsentationen. 
Uebereinstimmend mit dem Okkupationspatent, in dem preußischerseits auf 
Grund der Wiener Verträge den Polen ihre Nationalität und ibr Vater- 
land zugesichert worden ist, bat auch die preußische Regierung selbst, gestützt 
auf diese Grundsätze, sich damit übereinstimmend ausgesprochen. Ich berufe 
mich blos auf den (Erlaß des Oberpräsidenten Zerboni di Sposetti, de dato 
Posen den 6. September 1815. Derselbe lautet: „Die Monarchen, welche 
das Schicksal Polens bestimmten, sind bei dieser Bestimmung überall von 
dem Grundsatze geleitet worden, daß eine große Familie durch den Drang 
politischer Begebenheilen unter mehrere Sonreränetäten getheilt worden ist. 
Es ist der Wille dieser erbabenen Monarchen, daß das Familienband 
der Nation unter ihren verschiedenen Regierungen fortdauere. Sie haben 
zu dem Ende aus ihren Administrationen Alles zu entfernen befohlen,
	        
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