898 I. Sitzung des deutschen Reichstages.
„In Erwägung:
daß dem Reichstage zur Zeit nur der Eutwurf einer Redaktion
der Verfassungs-Urkunde auf Grund der Verträge vorgelegt ist,
die jüngst zur Gründung des Reiches in seiner dermaligen Ge-
staltung geführt haben;
in Erwägung:
daß der Antrag Reichensperger zur Verfassung tiefgreifende Zu-
sätze vorschlägt, welche den Gegenstand einer materiellen Ver-
fassungs-Revision bilden und somit die formelle Feststellung des
Verfassungsrechtes gefährden;
in fernerer Ermägung:
daß eine reichsverfassungsmäßige Gewährleistung des Vereins-
rechtes, des Rechtes der freien Meinungsäußerung durch die
Presse sowie der Unabhängigkeit und der Freihcit des religiösen
Bekenntnisses zwar von hervorragender staatlicher und nationaler
Bedeutung sind, daß jedoch die beantragten Verfassungs-Bestim-
mungen in ihrer Allgemeinheit ungenügend erscheinen, das ange-
strebte Ziel zu sichern;
in endlicher Erwägung:
daß dem weiteren Ausbau der Reichsrerfassung vorbehalten bleibt,
eine befriedigende Regelung der Beziehungen zwischen Staat und
Kirche herbeizuführen
beschließt der Reichstag, über den Antrag Reichensperger zur Tages-
ordnung überzugehen.
4. Antrag Schulze ) desgleichen:
„In Erwägung:
daß es erst nach redaktioneller Feststellung des geltenden Ver-
fassungsrechtes Aufgabe des Reichstages sein kann, aber auch
sein wird, den Ausbau der Reichsverfassung in freiheitlicher
Richtung in Angriff zu nehmen;
daß die in dem bezeichneten Verbesserungsantrage aufgestellten
Grundrechte in ihrer Unvollständigkeit weder dem Recht. bewußt-
sein noch den Bedürfnissen des Deutschen Volks entsprechen
beschließt der Reichstag über den Verbesserungsantrag Reichensperger zur
Tagesordnung überzugehen.
) a. a. O II S.2.