922 I. Session des deutschen Reichstages.
den die Debatte neulich auf mich gemacht hat; es sind, meine Herren, neu-
lich Aeußenmgen gefallen, die mich im höchsten Grade befremdet haben.
(Hört! Hört!) Ich will Ihnen sagen warmm. Ich bin hierhergegangen
in der Absicht redlich mitznarbeiten an einem gesunden Fortbau des
Deutschen Reiches; es ist nicht unbekannt, daß ich persönlich bis zum letzten
Augenblick mich dem Zustandekommen des Reiches, soweit es Baiern anbe-
langte, widersetzt habe — (Hört! Hörtl) aber nachdem das Reich zu
Stande gekommen ist, auch mit Einschluß Baierns, habe ich cs als meine
Aufgabe betrachtet, wenn ich irgendwie hierbei etwas zu sagen oder zu
wirken habe, meinerseits redlich für den weiteren Bau des Reiches mitzu-
wirken. Aber, meine Herren, wenn das möglich sein soll, dann muß ein
Grundsatz festgehalten werden, und das ist der Grundsatz der gegenseitigen
Achtung, namentlich der gegenseitigen Achtung der verschiedenen
Konfessionen. (Bravol) Ich, meine Herren, ehe ich von Passau abging,
habe nach der Wahl an meine eigenen Wähler eine Erklärung gegeben,
welche in dieser Beziehung, glaube ich, an Deutlichkeit nichts zu wünschen
übrig läßt (vor der Wahl hatte ich kein öffentliches Programm aufgestellt,
weil ich den Wählern freilassen wollte, mich zu wählen oder auch nicht zu
wählen. (Heiterkeit.) Ich weiß nicht recht, was hierin etwa Lächerliches
sein sollte, übrigens genirt es mich auch nicht, den Herren durch eine Er-
heiterung die Sache etwas angenehm zu machen.) Nun, meine Herren, nach
der Wahl habe ich mich verpflichtet erachtet, meinen Wählern zu sagen, wie
ich meine Stellung auszufüllen gedenke, und ich habe unter den Sätzen,
die ich ausgesprochen habe, auch den folgenden formulirt, ich habe gesagt:
„Ich werde als Reichstagsmitglied entschieden für die Rechte der katho-
lischen Kirche eintreten, aber ich werde auch mit gleicher Entschieden-
heit auftreten, wenn es sich darum handelt, Unrecht gegen andere
Konfessionen abzuwehren, wenn der Fall eintreten sollte, daß man auf
ungerechte Weise andere Konfessionen beeinträchtigen wollte“. Das, meine
Herren, habe ich öffentlich erklärt in meiner Ansprache an die Wähler, und
dasselbe habe ich auch bereits im baicrischen Landtage erklärt, und danach
werde ich handeln! Deshalb, meine Herren, hat es mich unangenehm
berührt, daß neulich in einer allerdings nicht erfreulichen Weise von Katho-
liken in Deutschland gesprochen worden ist. (Widerspruch.) Ich will, meine
Herren, ein paar Aeußerungen anführen, so weit sie mir noch im Gedächt-
niß sind. Die eine Aeußerung war von dem Abgeordneten Migquel, der in
Beziehung auf die Nichtintervention sich dahin ausgesprochen): es sei nicht
zu erwarten, daß Deutschland für Rom intervenire, was blos die Interessen
einer Partei berührte, es sei das nicht zu erwarten bei einem Reiche, das
aus beinahe 2 Protestanten bestehe. Meine Herren! Diese Hervorhebung
von Protestanten in einer Frage, welche die Katholiken so innig
berührt, wie die römische Frage ist, hat mich sehr verletzt, und wenn
*) Adreßdebatte, St. B. S. 56. r. m.