Art. 2. Grundrechte. Greil. Loewe. 925
welche mich bestimmen, Ihnen dringend zu empfehlen, diesen Antrag, der
Gefährliches Nichts, aber nur höchst Vortheilhaftes enthält, anzunehmen.
Wenn Sie ihn annehmen, meine Herren, dann leisten Sie Deutschland einen
doppelten Dienst: Sie werden das Element der Verbitterung in konfessionellem
Gegensatz entfernen, und Sie werden zugleich der Freiheit, der freiheit-
lichen Entwickelung die kräftigste Unterlage bereitet haben! Und aus diesen
Gründen, meine Herren, bitte ich Sie, stimmen Sie fest und entschieden dem
Antrage beil
Dr. öwe (Bochum):') Meine Hemen, ich bedaure, daß die Herren
Antragsteller ihren Antrag in einem Moment gebracht haben, in welchem
aus formellen Gründen die Annahme und auch eigentlich die Behandlung
von vornherein zurückgewiesen werden muß. Ueber die formellen Gründe,
die entgegenstehen, haben wir, meine Freunde und ich, schon früher uns
ausgesprochen und unseren Standpunkt von neuem in der von uns einge-
brachten motivirten Tagesordnung dargelegt. Ich gehe um so weniger noch
darauf ein, als die Herren so tief in die Materie eingetreten sind. Ich
trete deshalb sogleich auf das Gehiet, das die Herren Vorredner eingenommen
haben und begrüße vor Allem mit Freuden, daß sie bei der Darstellung
der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche in allen ihren Erklärungen —
und ich nehme Akt davon — von der früher behaupteten Grundlage der
Glaubenseinheit, auf der der Staat erbaut werden sollte, vollkommen abge-
sehen haben. Die Herru haben gesagt, daß sie nur auf dem Wege der
Freiheit und mit der Freiheit die neuen Verhältnisse regeln wollen, und ich
stehe mit dem Herren Bischof von Mainz vollkommen auf dem Boden, daß
auch ich nur durch die Freiheit das Reich der Gerechtigkeit, für das Deutsch-
land bestimmt ist, gründen will. Dabei, meine Herren, muß ich doch ge-
stehen, daß die Herren, die den Antrag gestellt haben, das Gebiet sehr knapp
begrenzt haben. Denn wir haben es dabei doch nicht blos mit der Kirche
und dem Staat im Allgemeinen zu thun, sondern wir haben, indem wir
die Trennung zwischen RKirche und Staat feststellen, und indem wir sie in
den einzelnen Theilen ausführen, zwei große Gebiete mit ins Auge zu fassen,
die wir nicht übersehen dürfen, wenn wir zu einem Reiche der Gerechtigkeit
kemmen wollen. Staat und Kirche treffen sich auf verschiedenen Gebieten.
Der Staat hat eine Reihe von JFunktionen schon der Kirche und ihren Or-
ganen überlassen, wie die Ehe und die Führung der Standesregister, und
die Kirche tritt in eine andere Reihe von Funktionen ein, für die der Staat
in erster Linie die Pflicht hat zu sorgen, wie das Unterrichtswesen. Da ist
zuerst die Schule. In die Schule ist bei uns in Preußen seit Jahren der konfessio-
nelle Gegensatz hineingetragen — ich behaupte, gegen den Geist unserer Verfassung,
wenn auch aus Zweckmäßigkeitsgründen die preußische Verfassung sagt, daß wo-
*) St. B. S. 116 r. m.