Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. Loewe. 931 
rollem Bedacht auch diese beiden Punkte hervorgehoben. Zudem, meine 
Herren, bedenken Sie, daß der Art. 4 Nr. 16 auf diese Preß= und Vereins- 
gesetzgcbung hinweist, dieselben zur Kompetenz des Reichs zieht, ohne die 
Grundsätze aufzustellen, auf welchen diese Gesetzgebung beruhen soll. Ich 
habe bei der Berathung der Verträge im Dezember v. J. schon gesagt, — 
damals unter der Zustimmung der Herren vom Fortschritt — es sei wunder- 
bar, daß man uns die Aufnahme dieser Kompetenzerweiterung zumuthe, ohne 
uns die Garantien zu geben, welche in den Einzelverfassungen und insbeson- 
dere in der preußischen Verfassung für diese Dinge gegeben seien. Ich finde 
deshalb, daß es keineswegs ein unzulässiges Beginnen ist, diese Grundlage, 
die Sie doch materiell nicht beanstanden, nunmehr wenigstens hier aufz- 
nehmen. Sie werden vielleicht sagen, es seien die Paragraphen über die 
kirchliche Freiheit mit den Bestimmungen über Preß= und Vereinsfreiheit 
nicht im Zusammenhange. Wenigstens habe ich mehrere Aeußerungen so 
aufgefaßt. Aber schon die schriftliche Motivirung unseres Antrages hat Ihnen 
gesagt, daß diese Bestimmungen unzertrennlich seien von der Ordnung des 
Vereinswesens. Wir betrachten — das erwidere ich dem Herrn Abgeordneten 
ron Treitschke — die Kirche selbst nicht als einen Verein, aber wir betrach- 
ten die Kirche als eine Korporation, welche Vereine schafft, und alle Gesetz- 
gebungen in Deutschland, welche mit dem Vereinswesen sich beschäftigt haben, 
haben sich auch mit den Vereinen beschäftigt, welche die Kirche schafft, und 
insofern war es allein schon wegen des Vereinswesens nothwendig, auch den 
Grundsatz der Selbstständigkeit der Kirche auszusprechen, weil wir sonst in 
der Hinsicht der Grundlagen für die Vereinsgesetzgebung entbehren würden. 
Ferner war dieses nothwendig mit Rücksicht darauf, daß den von der Kirche 
geschlossenen Vereinen ihr Vermögen und ihre Fonds verbleiben müssen. 
Alles das ist bei der Vereinsgesetzgebung absolut nothwendig zu berücksich- 
tigen, und deshalb mußte der Paragraph 15 der preußischen Verfassung jetzt, 
nachdem die Bestimmung des Art. 4 Nr. 16 aufgenommen, unter den in der 
Verfassung aus zusprechenden Landrechten aufgezählt werden. (s ist das keine 
Willkür, es war eine dringende Nothwendigkeit. Wollten Sie diese Ange- 
legenheit nicht vor den Reichstag bringen, wollten Sie diese Verhandlung 
vermeiden, dann hätten Sie gefälligst den Art. 4 Nr. 6 nicht schaffen sollen. 
Damit, daß Sie ihn schufen, haben Sie uns in die Nothwendigkeit versetzt, 
das zu beantragen, was jetzt zu Ihrer Beschlußnahme vorgelegt ist. Damit 
erledigt sich auch der Einwand des Herrn Abgeordneten Dnr. Loewe, wir 
hätten nichts von der Schule gesagt, wir hätten nichts von der Givilehe ge- 
sagt, wir hätten, was auch der Abgeordnete Herr von Treitschke rügte, nichts 
von dem Satze gesagt: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“. Ich 
kann darauf nur erwidern: meinestheils werde ich, wenn die Rompetenz 
des Bundes das erheischt, wenn diese Kompetenz darauf ausgedehnt ist, gar 
nichts zu erinnern finden, die meisten dieser Sätze aufzunehmen. Auch für 
mich ist die Wissenschaft und ihre Lehre frei. Auch ich habe kein Bedenken, 
59“
	        
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