Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. Windthorst. 933 
meinem Bedauern nicht unterstützen können, weil er nach meiner Meinung 
da auf sehr verkehrtem Wege war. (Heiterkeit auf der Linken.) Der Herr 
Abgeordnete Migquel findet das sehr lächerlich, und es ist gewiß sehr parla- 
urentarisch, wenn er das einem Redner gegenüber durch Lachen zu erkennen 
giebt. (Oh! links.) Ich sage ja gerade, daß das recht parlamentarisch sei. 
(Heiterkeit.) Aber ich sage auch, wir haben in der hessischen Frage so ge- 
stimmt, wie wir gestimmt haben, weil wir gerade das eben erreichen wollten, 
was hier von dem Herren Abgeordneten von Ketteler (Baden) als wünschens- 
werth hervorgehoben worden ist, nämlich daß man in politischen Ver- 
sammlungen sich nicht beigehen lasse, in das Gebiet der katholischen Kirche 
einzugreifen oder irgend wie die evangelische Kirche von Staatswegen zu or- 
ganisiren. Diese Organisation ist Sache der evaugelischen Kirche allein, 
und ich werde mit aller Kraft und aller Sicherheit jederzeit allen Versuchen 
eutgegentreten, dic von der Staatsomnipotenz aus sich der Organisation der 
evangelischen Kirche annehmen. (Bewegung links.) Ob Herr Miquecl mir 
das dankt, das weiß ich nicht, aber Andere haben es mir gedankt und 
werden mir hoffeutlich noch mehr und noch öfter dafür zu danken Gelegen- 
heit geben. 
(Abgeordneter Miquel: Ich habe nichts gesagt, ich zeige ja blos —) 
Es ist mir aber in aller Maßen erwünscht gewesen, daß meine politischen 
Freunde und ich grade zunächst und vor Allem in einer Materic der evangeli- 
schen Kirche unsere Grundsätze in Bezichung auf die Selbstständigkeit der Kirche 
haben bethätigen können. Das mag ein Beweis dafür sein, daß wir wahrlich nicht 
blos für uns allein sorgen wollen, sondern daß wir dasselbe Recht, dieselbe 
Freiheit, dieselbe Gerechtigkeit für Alle und Jedermann wollen. Nun ist von 
dem Herrn Abgeordneten Lasker gesagt, es müsse einstweilen ein Ruhepunkt 
sein, man müsse nicht Dinge wieder auführen, die augenblicklich unangenehm 
berühren, weil man nach den erreichten Erfolgen eine Siesta halten wolle. 
(Unruhe links.) Er hat uns gesagt, daß das Geschäft, welches er mit Herrn 
Miquel im Norddeutschen Reichstage gemeinsam verrichtet, nämlich das Ge- 
schäft, die einzelnen Staaten allmählich wegzunivelliren, (Widerspruch und 
Murren links. Abgeordneter Lasker! Das habe ich nicht gesagt.) für jetzt 
ruhen solle, und daß er deshalb auch in diese Debatte sich nicht mischen 
wolle. Ich begreife meines Theils vollkommen, daß diejenigen Herren, 
welche ihre speziellen Wünsche erreicht haben, nunmehr gern sich auf das 
Ruhekissen niederlegen möchten. Aber wir, meine Freunde und ich, finden 
nicht, daß das, was erreicht ist, den berechtigten Erwartungen und Wün- 
schen in Beziehung auf diejenigen Gegenstände, die uns besondees interessiren, 
entspräche. Sie müssen deshalb es sich schon gefallen lassen, daß wir sofort 
und immediat, ganz nach dem Beispiel der Politik, die auderweit befolgt ist, 
rasch zu nehmen suchen, was wir für nothwendig erachten. Das ist auch
	        
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