Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

938 I. Session des deutschen Reichstages. 1871. 
Jeder von seinem Parteistandpunkte aus unsere Stellung nehmen. Wir sind 
heute mit warmen Worten ermahnt worden, unsere katholischen Mitbrüder 
zu achten und ihre Rechte nicht zu kränken; es ist uns zugerufen worden, 
wir sollten auch unsererseits dafür sorgen, daß die magna charta des Religions- 
friedens auf das politische Gebiet des Reiches übertragen würde; wir sind 
ermahnt worden, eine jede Ausnahmzsgesetzgebung in kirchlichen Dingen zu 
bekämpfen, und wir sind daran erinnert worden, daß die Religionsfreiheit 
nicht identisch sei mit Gedankenfreiheit. Und aus einem anderen Munde 
baben wir gehört, daß wir kämpfen sollten gegen die Staatsomnipotenz, wir 
sollten warnen mit ihnen vor der Staatsallgewalt in Kirchensachen, wir sollten 
dem Grundsatze die Ehre geben: man muß Gott mehr gehorchen als 
dem Staate. Wir sind dazu bereit. Nun, meine Herren, der Herr Ab- 
geordnete Windthorst hat uns in der gestrigen Sitzung, glaube ich — oder 
war es bei der Adreßdebatte? — gesagt, wir, d. h. seine Gegner, wir wollten 
erklären, daß im dem neuen Reiche die berechtigten Interessen der 
katholischen Mitbürger unberücksichtigt bleiben sollten. Meine 
Herren, ich lehne im Namen meiner Parteigenossen, und ich glaube, im 
Namen vieler anderen Mitglieder dieses Hauses, (Zustimmung) diesen 
Vorwurf auf das Allerentschiedenste ab; (sehr gut! sehr wahr!) ich 
beklage mit sehr vielen die unglückliche Art und Weise, wie man diese An- 
träge schon bei den Wahlen gleichsam als Parteiprogramm aufgestellt hat. 
(Lebhafte Zustimmung.) Meine Herren, wenn der Herr Bischof von Mainz 
uns ermahnt hat. 
Prästdent: Darf ich mir eine Zwischenbemerkung erlauben? Ich habe 
die Bezeichnung eines Mitgliedes nach seiner sonstigen Stellung — zu 
meinem eigenen Vorwurf — schon einige Male in dieser Sitzung passiren 
lassen. Ich glaube aber, ich darf dem Hause dringend empfehlen, von jeder 
anderen Bezeichnung eines Mitgliedes abzusehen, als diejenige ist, die in 
seinem Namen oder in seinem Wahlkreise liegt! (Brarol) 
v. Blanckenburg (fortf.): Meine Herren, wir haben dat früher immer 
gethan, aber der Usus ist allerdings in dieser Beziehung in letzter Zeit etwas 
lax gewesen; ich werde mich bemühen, es zu vermeiden. — Wir sind also von 
jener Seite aufgefordert, die religiösen Kämpfe vom politischen 
Gebiete auszuschließen. Wir sind bereit! (Zu den Mitgliedern des 
Centrums gewandt): Sie sitzen mir hier nicht zum ersten Male gegenüber: Viele 
von Ihnen bhabe ich schon die Ehre gehabt 1854 zu sehen. Auch damals, meine 
Herren, führte das Interesse der katholischen Kirche, welches Sie gefährdet 
glaubten, Sie in starker Anzahl in diese selben Räume; auch damals wurde 
von Ihnen meines Erachtens bei dem Wahlprogramm und in den Wahl- 
umtrieben gegen den Grundsatz verstoßen, die religiösen Kämpfe aus- 
zuschließen vom politischen Boden. Ich habe jetzt nicht gehört, daß
	        
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