Art. 2. Grundrechte. Blanckenburg. 939
bei den jetzigen Wahlkämpfen den protestantischen Geistlichen diese Vorwürfe
gemacht worden sind; ich habe nur das Umgekehrte gehört. Meine Herren,
gehen Sie uns darin mit gutem Beispiele voran! Schon damals haben
unsere Freunde Sie dringend gebeten, meine Herren, sich hier in dem Hausc
zu gruppiren nach Ihren Parteieigenschaften und nicht nach diesem einen
katholischen Programm, mit dem Sie die religiosen Kämpfe auf die
politische Arena bringen. Vermeiden Sie den bösen Schein, als sollten
gerade erst recht in diesem ersten Deutschen Reichstage die alten relig iösen
Kämpfe wieder hervorgesucht werden, (Lebhafter Beifall) die so lange den
Konfessionsfrieden gestört haben. (Sehr richtig!) Ich bedaure, daß Sie auf
diese Weise sich wieder organisirt haben, und, meine Herren, es wird Ihnen
nichts helfen, daß Sie sich Centrumpartei nennen: Sie werden genannt,
wie die Welt Sie nennt: (Bravol) Sie werden nicht Centrum heißen, sondern
Klerikale. (Sehr wahr!) Ich bin nun aber der Meinung, daß ich die Pflicht
habe, Ihnen darüber keinen Zweifel zu lassen und auch nicht im Lande, daß
wir nicht zu Denjenigen gehören, die den meisten Grundsätzen, die heute
von Ihnen ausgesprochen sind, überall widersprechen! Meine Herren, Sie
haben uns aufgefordert gegen die Omnipotenz des Staates, wir antworten
Ihnen: wir hassen nichts so sehr als die büreaukratische, unbefugte
Einmischung des Staates in die kirchlichen Dinge! Wir werden
stets dafür eintreten, wenn es darauf ankommt, die Gesetze und die Rechte
der Kirchengenossenschaften zu schützen gegen Willkür von jeder Seite, von
wo sie auch kommen mag, wir werden niemals in das wüste Geschrei
einstimmen, das erhoben wird gegen Rechte der Kirche und
Schule und gegen die Bekenntnisse! Nicht von dieser Seite her,
meine Herren, machen wir Ihnen Opposition. Aber wie liegen die Sachen,
was wollen Sie mit Ihren Anträgen erreichen? Die geehrten Mitglieder
haben heute ununterbrochen plaidirt, als wenn es sich darum handelte, daß
wir eine Rückwärtsbewegung machen wollten, als wenn wir der Meinung
wären, daß die Freiheiten, die die Kirche hat, aufgehoben werden
sollen. Sie haben heute plaidirt, als wenn es sich in diesem Augenblick
darum handelte, den Artikel 15 der preußischen Verfassung aufzuheben.
Meine Herren, wo ist denn davon irgend wie die Rede? Wer will denn den
§ 15 in Preußen aufheben? Ihre Anträge gehen ja nur dahin, daß
Sie ohne weitere Prüfung, ohne alle weiteren Voraussetzungen und Vorb.-
dingungen diesen Artikel übertragen wollen in das neue Deutsche Reich. Ein
Mitglied aus Baiern hat uns heute auseinandergesetzt, daß er nie die An-
träge unterschrieben haben würde, wenn er darin hätte eine Kompetenzer-
weiterung erkennen können, und daß die Verhältnisse zwischen Staat und
Kirche in seinem Vaterlande Baiern vertragsmäßig zu seiner Zu-
friedenheit — wie ich verstand — regulirt wären. Nun, meine
Herren, wozu dann die Anträge? Darin sollte keine Kompetenzerweiterung
sein, darin sollte für die Herren selbst keine Gefahr liegen, den § 15 so