Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

940 I. Session des deutschen Reichstages. 
ohne weiteres der Gesetzgebung des Bundes auheimzugeben? Sollte es 
vielleicht darin liegen, meine Herren, daß ich heute in der Zeitung gelesen 
habe, daß Seine Majestät der König von Baiern das Placet verweigert 
hat zu der Verkündigung des Unfehlbarkeitsbeschlusses? (Hört! 
hört!) Sollte es vielleicht die Absicht sein, daß man ohne Weiteres, ohne 
Vermäge und Garantien die Rechte, die die Kirche in Preußen hat, — und 
ich will sie ihr gewiß nicht nehmen — hat übertragen wollen auf den 
Fauzen Süden? Meine Herren, ich bin nicht dagegen, aber ohne Regulirung 
der Verhältuisse zwischen Staat und Kirche verlangen Sie nicht von uns, 
daß wir unser Votum so ohne weiteres dafür geben sollen, daß ohne diese 
schwerwiegenden politischen Interessen, die zwischen Rirche und Staat getheilt 
sind und getheilt bleiben werden, so lange die Welt steht, unbesehens übertragen 
werden auf die ganze Deutsche Gesetzgebung, und ohne vorher die nöthigen 
Verhandlungen und Verträge zu schließen! — Meines Erachtens liegt uun 
aber in dieser Erweiterung, die Sie beantragen, ein Widerspruch mit 
Demjenigen und denjenigen Zielen und Plänen, die Sie sonst 
verfolgt haben, der ganz erstaunlich ist! (Sehr wahr!) Der Herr Abgeorduete 
Windthorft hat, so lange ich die Ehre habe ihn zu kennen, — bitte um Ent- 
schuldigung, der Herr Abgeordnete für Meppen (Heiterkeit) — ununterbrochen 
die Kompetenzerweiterung des Norddeutschen Bundes bekämpft; er hat 
unnnterbrochen mit uns hingewiesen auf die Gefahr, die in der Zusammen= 
setzung der Gesetzgebungs-Faktoren des Deutschen Reiches liege; er hat 
ununterbrochen mit uns darauf hingewiesen, welche Gefahr liege in einer 
einheitlichen, auf dem allgemeinen Wahlrecht basirten Ver- 
sammlung und in einer Vertretung der einzelnen Regierungen durch iu- 
struirte Räthe, — welche Gefahr darin liege, auf liberale Bahnen zu kommen! 
Darin ist er immer mit uns einig gewesen, und heute, meine Herren, sagt 
er uns: es ist das Erste, was geschehen muß, daß die hochheiligen 
Rechte der Kirche übertragen werden auf die Bundesgesetz- 
gebung! Meinc Herren, wo bleibt denn für den Herrn Abgeordneten der 
Schutz des Herrenhauses im preußischen Staate? (Heiterkeit.) Hat er jetzt 
mit Einem Male mehr Vertrauen zu den instruirten Räthen des Bundes- 
raths als zu dem Herrenhause? Woher kommt es denn, daß jetzt mit 
Einem Male sein Vertranen ein größeres ist auf die Gesetzgebung, die doch 
aus diesem Hause wefentlich influenzirt werden wird? Meine Herren, ich 
muß gestehen, mir ist dieser Schritt zu gefährlich, und ich denke, wir besinnen 
uns noch und warten erst ab, wie wir uns weiter hier entwickeln, ehe wir 
gleich mit dem ersten Sprung ins neue Reich hinein die Gesetzgebung aus- 
dehnen für das neue Reich auf diese wichtigsten, tiefgreifendsten 
politischen Rechte, die ja, wie die Herren im Centrum sagen, im preußischen 
Staate zu Jedes Dank geordnet wären! Sie in erster Linie haben das 
Anerkenntniß ausgesprochen, daß der Kirche ihr Recht im preußischen Staate 
gegeben wird, und nun beantragen Sie — und gehen damit meines Er-
	        
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