Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

942 I. Session des deutschen Reichstages. 1871. 
Ihnen zu gehen, wenn Sie sich gar einfallen lassen sollten, auf diese christ- 
lich-germanischen Pfeiler römische Kapitäler zu setzen! — (Lebhaftes Brare.) 
Dr. Maran. Barth aus München (Rothenburg a. d. Tauber):") Meine 
Herren! Die Herren Graf Renard und Genossen und die Herren Schulze 
und Genossen haben Anträge eingebracht auf motivirte Tagesordnung gegen- 
über dem Verbesserungsantrage der Herren Abgeordneten Reichensperger und 
Genossen. Die Partei, welcher ich augehöre, und welche mich beauftragt bat, 
ihre Anschauungen hier im Hause zu entwickeln, ist mit den Herren Graf 
Renard und Schulze insoweit einverstanden, daß auch wir den Anträgen des 
Herrn Abgeordneten Reichensperger (Olpe) keine Folge geben wollen, wir 
gehen nur darin von den geehrten Antragstellern ab, daß wir keine motirirtr 
Tagesordnung, sondern einfache Ablehnung des Antrages wünschen. Meine 
Herren! Die Gründe, warum auf die Vorschläge des Herrn Reichensperger 
(Olbe) nicht eingegangen werden kann, hat Ihnen meines Erachtens das 
verehrte Mitglied für Kreuznach-Simmern vorgestern in so eingehender Beiee 
entwickelt, daß es meinerseits unbescheiden wäre, wenn ich diese gründlicke 
und ausreichende Entwickelung wiederholen wollte. Erlauben Sie mir riel— 
mehr, dieselbe durch ein praktisches Beispiel aus meinem Heimatlande Baiem 
zu illustriren. Herr Dr. Treitschke hat vollkommen richtig darauf anfmerksam 
gemacht: wie einerseits der Reichenspergersche Vorschlag schließlich nur darms 
hinausgehe, die katholische Kirche im gesammten Reiche selbstständig zu machen 
und von den Staatsgewalten möglichst abzulösen, so sei auch die unminelbme 
Folge der Anahme dieses Antrages die, daß in den übrigen Staaten aufer 
Preußen sofort der Kirche Gelegenheit gegeben werde, den Kampf mit den 
Regierungen der (Einzelstaaten unter Bezugnahme auf die Reichsgewalt z 
beginnen. Das ist der Kern der Sache, meine Herren, und da muß ich nun 
als Baier Ihnen erklären, ein schlimmeres Geschenk können Sie uns im ersten 
Reichstage nicht machen, als wenn Sie in solcher Weise in unsere Geset 
gebung eingreifen. Wir sind eingetreten mit dem Glauben, das Verbälmmis 
zwischen Staat und Kirche gehöre nicht in die Zuständigkeit der Reichsgewal, 
gehöre wenigstens zur Zeit nicht hinein. Wir sind eingetreten mit dem 
Vertrauen, wir werden unser geordnetes Staatskircheurecht behalten und das 
Recht haben, danach unsem Kampf mit dem Ultramontanismus fortzuführe 
und zu beendigen. Der Herr Abgeordnete von Blanckenburg hat berits er- 
wähnt, daß die baierische Staatsregiemmg dem Herru Erfbischef vom Bam- 
berg, dem einzigen, welcher um das placctum regium nachgesucht hat, um 
die Beschlüsse des Konzils zu verkündigen, dasselbe verweigert bat. Meine 
Herren, das placetum regium ist ein Recht des Königs von Baiern, welches 
gegründet ist auf das mit dem Papste abgeschlossene Konkordat, und diese“ 
Konkerdat gehört mit zu unserem Staatekirchenrecht. Wir baben dieses 
*) St. B. S. 123 l. g. o.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.