Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

958 I. Session des deutschen Reichstages. 1871. 
und politischen Interessen von großer Wichtigkeit sein, sondern auch auf die 
künftige Gestaltung unserer religiösen Verhältnisse Einfluß üben. Ein be- 
sonderes Wahlprogramm für die Katholiken des Großherzogthums aufzustellen, 
scheint in diesem Augenblick um so weniger augezeigt, als die Verhältnisse 
uns nur in wenigen Wahlbezirken einen entscheidenden Erfolg versprechen. 
Unter allen Umständen aber werden es die Katholiken als ihre Pflicht er- 
kennen, ihre Stimme keinem Kandidaten zu geben, von welchem sie eine 
Schädigung ihrer religiösen Interessen zu fürchten haben, und nur zu der 
Wahl solcher Männer mitzuwirken, welche in dieser Beziehung Bürgschaft 
geben. Iunsbesondere haben wir von unseren Reichstageabgeordneten zu 
fordern: 1. daß sice für Uebertragung der die Stellung der Kirche regelnden 
Paragraphen aus der preußischen Landesverfassung in die Reichsverfassung 
stimmen wollen:" — Meine Herren, hier muß ich die Verlesung im Zu- 
sammenhang für einen Augenblick unterbrechen und zu dem am Schluß 
des Aktenstückes abgedruckten Auszug diesenigen §§ der preußischen Ver- 
fassung einfügen, welche die Unterzeichner des Mainzer Aktenstücks in die 
Reichsverfassung übertragen haben wollen. Es ist das etwas weseutlich 
Anderes als was die Herren in diesem Hause beantragt haben. Die 
Unterzeichner der Mainzer Punkte wollen die 5§ 12, 13, 14, 15, 16, 
17, 18 der preußischen Verfassung in die Reichsverfassung übertragen haben. 
Diese Artikel lauten: „§ 12. Die Freiheit des religiösen Bekenntuisses, 
der Vereinigung zu Religionsgesellschaften (§& 31 und 32) und der ge- 
meinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung wird gewährleistet. 
Der Genuß der bürgerlichen und staatobürgerlichen Rechte ist unabhängig 
von dem religiösen Bekenntnisse. Deu bürgerlichen und staatebürgerlichen 
Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch ge- 
schehen. § 13. Die Religionsgesellschaften, so wie die geistlichen Ge- 
sellschaften, welche keine Korporationsrechte haben, können diese Rechte nur 
durch besondere Gesetze erlaugen. 5 14. Die christliche Religion wird 
bei deujenigen Einrichtungen des Staats, welche mit der Religionsübung 
im Zusammenhange stehen, unbeschadet der im § 12 gewähreeisteten 
Religionsfreiheit, zum Gnunde gelegt. § 15. Die erangelische und 
die rômisch-katholische, sowie jede audere Religionsgesellschaft, orduet und 
verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß 
der für ihre Kultus-, Unterrichts= und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten An- 
stalten, Stifungen und Fonda. § 16. Der Verlehr der Religious- 
gesellschaften mit ihren Oberen ist unbehindert. Die Bekanntmachung kirch- 
licher Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen 
alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.“ Meine Heren, das würde be- 
launtlich die Aufhehung des plucetum regium involviren. — „§ 17. 
Ueber das Kirchenpatronat und die Bedingungen, unter welchen dasselbe 
aufgehoben werden kaun, wird ein besonderes Gesetz ergehen. § 18. 
Das Ernennungs-, Vorschlags-, Wahl= und Bestätigungsrecht bei Besetzung
	        
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