Ar#t. 2. Grundrechte. Bebel. 961
beantragen, daß der Artikel 8 der Verfassung geändert werde, insoweit als
der Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten außer den Mitgliedern
von Baiern, Sachsen und Würtemberg auch noch zwei vom Bundesrath ge-
wählte Mitglieder in seiner Mitte zähle. Meine Herren, wenn die Herren
von der Regierung keine Veranlassung genommen haben, sich an das, was
sie vror einigen Monaten beschlossen baben, zu kehren, sondern hier selbst eine
Aenderung der Verfassung beantragen, dann sollte ich meinen dürfte eine
Partei. die bisher vorgab, den entschiedenen Fortschritt auf ihre Fahne ge-
schrieben zu haben, doch wahrbaftig nicht hinter der Regicrung zurückbleiben.
Indeß diese eigenthümliche Erscheinung läßt sich sehr wohl erklären, und hier
komme ich auf das Wort zurück, was der Abgeordnete Treitschke am
Sonnabend ausgesprochen hat, nämlich, daß es in die Zeit der politischen
Kinderjabre gehöre, wo man Grundrechte und dergleichen Dinge in eine
Verfassung aufsgenommen hat. Ich gebe diesem Satze allerdings eine andere
Interpretation, wie er sie gegeben hat. Der Abgeordnete von Treitschke hat
vollständig Recht, von politischer Kindheit zu reden, wenn er die Zeit von
1848 erwähnt. Denn, meine Herren, politische Kinder können es allerdings
nur gewesen sein, die in einer Reichsverfassung, an deren Spitze der König von
Preußen als Deutscher Kaiser stehen soll, absolute Preßfreiheit, absolutes
Vereins= und Versammlungsrecht, Trennung der Schule von der Kirche, der
Kirche vom Staat, die Gewährleistung der persönlichen Freiheit und noch
eine Menge anderer Dinge verlangen. Das von dem König von Preußen,
überhaupt von einem Fürsten zu verlangen, ist allerdings kindisch. (Heiter-
keit.) Denn, meine Herren, wir dürfen nie vergessen, daß die Interessen
des Volkes und die Interessen der Fürsten entgegengesetzte sind, (Wider-
spruch und Gelächter) daß der Fürst das Interesse hat, möglichst absolut zu
regieren, und daß er dieses Interesse nur insoweit wird fahren lassen, als er
durch die öffentliche Meinung und nöthigenfalls durch die physische Gewalt
des Volkes dazu gezwungen wird. Aber in einer Zeit, wo die preußische
Staatsmacht und die gesammte Deutsche Macht dem König von Preußen
als Kaiser von Deutschland zur Verfügung steht, wo er über eine Million
Bajonette zu verfügen hat, im Parlament darüber zu debattiren, ob man
absolute Vereinsfreiheit u. s. w. vom Könige von Preußen verlangen könne,
ja, meine Herren, das können allerdings ernsthafte politische Männer nicht
thun, die da wissen, daß alle politischen Fragen, alle Rechtsfragen zugleich
Machtfragen sind. Wenn Sie ein Recht fordern, meine Herren, daun
haben Sie zwar die theoretische Begründung, das tbeoretische Recht zeden-
falls auf Ihrer Seite, aber die Gewalt, das Recht in der Praris durchzu-
führen, die haben Sie nicht. Und, meine Herren, eine Regierung, und
namentlich eine starke Regierung — und um so mehr, je stärker sie ist —
wird an ihrem Rechte, am Rechte der Krone festhalten, sie hat gar keine
Lust, theoretische Gelüste, die ihre Machtvollkommenheit beschränken, ohne
Weiteres in die Verfassung aufzunehmen. Und ich bin deshalb auch der
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