Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. Probst. 971 
schon die Erfahrung gemacht, meine Herren, daß ich bei meinem freisinnigen 
Freunden eine Anerkennung für diese (Gesichtspunkte nur schwer erlangen 
konnte; ich babe gefunden, daß das Gebiet der Freiheit nur eben bis zu der 
Grenze vertheidigt wurde, wo es sich von der Freiheit der kirchlichen Genossen- 
schaften handelte. Nun, meinc Herren, als diese Frage hier wieder an mich 
herantrat, so mußte im leider dieselben Erfahrungen auch hier machen. Ich 
bin der Ansicht, daß cs sich bier um einc der wichtigsten Fragen der (Gegen- 
wart, um eine der wichtigsten Fragen für das neue Deutsche Reich, um die 
Einheit und um den Frieden des neuen Deutschen Reiches handelt. Ich habe 
mich gefragt, wo ich für meine Ideen Anklang fände und wenn Sie mich 
auf dieser Seite des Hauses (im Centrum) sehen, so mögen Sie sich aus 
dem Gesagten die Antwort entnehmen. Meinc Herren, es ist eigenthümlich, 
daß alle Fraktionen dieses Hauses der einen Fraktion des Centrums entgegen- 
stehen, wenn im jetzigen Augeublicke die (Grundrechte zur Sprache gebracht 
werden. Ich glanbe, meine Herren, daß das einen eigenthümlichen Eindruck 
auch im Deutscheu Volke machen wird. Wir im Süden, meine Herren, sind 
gewohnt, an den Frankfurter Grundrechten (Hört! hört' links) als an etwas 
fest Bestehendem, das sich immer wieder geltend machen werde, zu hängen; 
in unseren Bauernstuben können Sie diese Grundrechte aus Frankfurt noch 
beute an den Thüren angeschlagen finden: noch heute denken die Leute daran 
und warten darauf, daß wieder von denselben die Rede werde, und nicht 
nur in der einen oder der anderen Beziehung, sondern in allen Beziehungen, 
die damals für wesentlich angesehen worden sind. Meine Herren, alle Fraktionen 
dieses Hauses treten der einen Fraktion entgegen, aber aus verschiedenen 
Gründen, und auch das wird im Deutschen Volke gefühlt werden. Diese 
Gründe heben sich gegenseitig auf und begründen unseren Antrag mit. Da 
sagt man von der einen Seite, die große staatliche und nationale Bedentung 
der Grundrechte müßte ganz gewiß anerkannt werden, nur möchte man eine 
JZeit abwarten, die eine bessere Gelegenheit dazu bicte. Von der andern Seite 
sagt man, die Grundrechte, wie wir sie vorschlagen, seien eine Unvollständig- 
keit, die zu nichts dienen könne; wir müssen sie vollständig und ganz haben 
und sie in einer größeren Gesetzgebung niederlegen. Von einer andern Seite 
aber — und das ist von einzelnen Rednern geltend gemacht worden — wird 
von den Grundrechten überhaupt, soweit sie wenigstens die Stellung der 
kirchlichen Genossenschaften betreffen, gauz abzusehen gerathen; diese Grund- 
rechte gerade nach dieser Richtung glauben sie überhaupt nicht brauchen zu 
können. Damals, sagt man, als man sich in Frankfurt befand, befand man 
sich einem gewissen Dilettantismus der Politik; jetzt brauchen wir etwas ganz 
Anderes; die Stellung der Kirche muß eine ganz andere Gestaltung erhalten, 
als man sie ihr damals zu geben versuchte. Meine Herren! Wenn ich die 
Gründe, welche von den ersten zwei Parteien angeführt worden sind, näher 
erwäge, so kann ich zu keiner anderen Anschauung gelangen, als daß im 
Grunde genommen die eigentliche und wahre Ursache, warum unserer An-
	        
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