Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

100 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
der Elbe durch Rodung des unkultivierten Bodens. Die vorhandenen Feldmarken wurden 
dadurch erweitert, neue wurden auf Waldboden angelegt und besiedelt. Die Rodung ging 
hauptsächlich von geistlichen und weltlichen Grundherren aus. 
#### Die grundherrliche Landwirtschaft beruhte zumeist auf der hofrechtlichen Leihe und dem 
Fronhofsystem. Die grundherrlichen Besitzungen, die häufig keinen zusammenhängenden 
Komplex, sondern Streubesitz bildeten, waren zum größten Teile an Hintersassen, Hörige oder 
freie Zinsleute ausgetan. Mittelpunkt der zu einer Verwaltungseinheit vereinigten Höfe war 
der Fronhof oder Salhof. Diesem war regelmäßig ein villicus, Meier, als herrschaftlicher Be- 
amter vorgesetzt. Er bewirtschaftete das zum Salhof gehörige unmittelbare Herrenland (Sal- 
land), übte im Namen des Herrn dessen Rechte über die Hintersassen und deren Hufen aus und 
waltete als Rentmeister des Herrn, indem er von den leiherechtlich besetzten Hufen die Zinse, 
Zehnten und Abgaben eintrieb. In größeren Grundherrschaften gab es als Zwischenstufen 
zwischen Grundherrn und Meiern größere Haupt= oder Oberhöfe, die mehreren Villikationen 
übergeordnet waren. 
Die gemeinen Marken oder Almenden erfuhren eine fortschreitende Verkleinerung. 
Seltener wurden die Marken ganzer Hundertschaften, es gab in der Regel nur noch Marken 
einzelner oder mehrerer Dörfer und Bauerschaften. Den freien Markgenossenschaften traten 
grundherrliche und gemischte zur Seite. Die ursprünglich ungemessenen Nutzungsrechte der 
Markgenossen verwandelten sich in gemessene. So wurde das Weiderecht vielfach beschränkt 
auf die Stückzahl Vieh, das der einzelne durchwintern konnte, das Recht der Rodung nur noch 
auf Hammerwurfsweite gestattet oder an die Genehmigung der Markgenossenschaft gebunden. 
An den Nutzungen nahmen regelmäßig nur diejenigen teil, die in der Mark eigenes Feuer und 
eigenen Rauch hatten, d. h. mit eigenem Haushalt angesessen waren. Über Markangelegen- 
heiten verhandelte und beschloß das Märkerding, das unter der Leitung des Obermärkers, Wald- 
oder Holzgrafen tagte, die Marknutzungen regelte, die Markbeamten wählte und über Mark- 
frevel richtete. In den grundherrlichen Markgenossenschaften war stets der Grundherr Ober- 
märker, in den gemischten hat er das Amt in der Regel an sich gebracht. 
Im 12. Jahrhundert begann eine starke Abwanderung bäuerlicher Elemente nach dem 
Osten in die rechts der Elbe eroberten und in außerdeutsche Gebiete. Vom 13. Jahrhundert 
ab zogen die Ostmarken und die östlichen Nachbarländer des Reiches deutsche Kolonisten zur 
Hebung der Kultur und des Wohlstandes systematisch heran. Wollte ein Fürst, eine Kirche 
oder ein Grundherr ein Gebiet mit deutschen Kolonisten besiedeln, so übertrug er die Anwerbung 
und Ansiedlung einem Unternehmer, locator. Dieser erhielt etliche Freihusen und das erbliche 
Schulzenamt. Die deutschen Bauern empfingen ihre Hufen zu Erbzinsrecht. Wo in den deutschen 
Grenzlanden wendische Bauern sitzenblieben, hatten sie regelmäßig schlechteres, später so- 
genanntes lassitisches Besitzrecht, kraft dessen sie das Gut nur auf taugliche Söhne vererben und 
nicht veräußern durften. Verhältnismäßig bescheiden war in den deutschen Ostmarken neben 
dem bäuerlichen der ritterschaftliche Besitz. Der Ritter erhielt durchschnittlich vier bis sechs Hufen 
Landes, die er vermutlich von dienstpflichtigen slawischen Kossäten bebauen ließ. Erst nach 
dem Ausgang des Mittelalters kam es östlich der Elbe zur Ausbildung größerer und geschlossener 
Rittergüter. 
In einem Teile der deutschen Stammlande, insbesondere im Nordwesten und in Hessen, 
setzte vom 13. Jahrhundert ab eine Entwicklung ein, die zur örtlichen Auflösung des Fronhof- 
systems führte. An den hofrechtlichen Besitzständen hatte sich eine unbeschränkte oder doch eine 
beschränkte Erblichkeit des Hintersassenrechtes ausgebildet. Die Leistungen der Hintersassen 
hatten sich als unwandelbare gewohnheitsrechtlich fixiert, die Naturallieferungen, soweit sie das 
Bedürfnis der grundherrlichen Hof= und Haushaltung überstiegen, vielfach in feste Geldrenten 
umgewandelt. Da lag es denn schließlich im Interesse der Grundherren, ihre Einkünfte zu 
erhöhen, indem sie die hofrechtlichen Leiheverhältnisse durch landrechtliche Leiheverträge er- 
setzten und die bisher mit Grundholden besiedelten Höfe unmittelbar in Zeitpacht gaben. Das 
Verwaltungsamt des Meiers fiel damit hinweg. Die Erledigung der Bauerhufen vermittelte 
nötigenfalls die Freilassung höriger Hintersassen, welche Zeitpächter wurden oder als Häusler 
in ihrem Hause sitzenblieben oder abwanderten. Die in Zeitpacht gegebenen Höfe hießen in
	        
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