Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

106 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
Karls IV. goldene Bulle, Grundgesetz des Reichs für die Königswahl und für die Rechtsstellung 
der Kurfürsten, aber auch Vorschriften über Landfrieden, Pfahlbürger und anderes enthaltend, 
in ihrem ersten Teile (c. 1—23) am 10. Januar 1356 zu Nürnberg, in ihrem zweiten Teile 
(c. 24—31) am 25. Dezember 1356 zu Metz publiziert, das Konstanzer Konkordat von 1418 und 
das sogenannte Wiener Konkordat vom 17. Februar 1448. 
Zu den Quellen des Reichsrechtes zählen außer den Gesetzen die Mandate und Privi- 
legien, die der König erließ oder gewährte, und die Urteile des Königsgerichtes, zumal die in 
zweifelhaften Fragen getroffene Entscheidung für künftige gleichartige Fälle als Norm dienen 
sollte. Der Tätigkeit des Königsgerichtes verdanken auch die Reichssentenzen ihre Entstehung, 
Fürstenweistümer, die allgemeine Aussprüche über Rechtsfragen enthalten. 
Die Reichsgeseße und andere Quellen des Reichsrechtes bis 1313 stehen bei Pertz, Mon. 
Germ. hist. Leges II. Eine bessere und vollständigere Sammlung bietet die Quartausgabe der 
Leges unter dem Titel: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, tom. I—V (911 bis 
1324), VIII, 1 (1345—1347). Die jüngeren Reichsgesetze findet man zurzeit in der neuen und 
vollständigeren Sammlung der Reichs-Abschiede (Senckenberg-Kochsche Sammlung) 1747. Bessere 
Texte der wichtigsten Stücke bietet zeeumer, Quellensammlung ur Gesch. der deutschen Reichs- 
verfassung 1904. Derselbe, Die goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1908. Deutsche Reichstags- 
akten, Publikation der Münchener historischen Kommission, bis jetzt 12 Bände der älteren Serie, 
die Zeit von 1376 bis 1437 umfassend, besorgt von Weizsäcker, Kerler und anderen. 
Franklin, Sententiage curiae regis, Rechtssprüche des Reichshofes im Mittelalter, 1870. 
§ 28. Die Land= und Lehnsrechtsbücher. Der Sachsenspiegel. Die litera- 
rische Bearbeitung des Rechtes hat ihren Ausgangspunkt in der epochemachenden Darstellung 
des Sachsenrechtes, die uns im Sachsenspiegel vorliegt. Dieser wurde von dem sächsischen 
Schöffen und Ritter Eike von Repkow wahrscheinlich im 3. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts 
verfaßt (jedenfalls zwischen 1220 und 1235 vollendet). Das Dorf Reppichau (Gau Serimunt), 
von welchem sein dort ansässiges Geschlecht den Namen führte, liegt zwischen Köthen, Dessau 
und Aken. Eitle selbst erscheint in Urkunden von 1209—1233. Er zählt zu den in die Ministerialität 
eingetretenen Schöffenbarfreien. Zuerst schrieb er sein Werk in lateinischer Sprache, um es 
dann auf Veranlassung des Grafen Hoyer von Falkenstein in deutscher Sprache, vermutlich 
in niedersächsischer Mundart, umzuarbeiten. Dem Texte des Rechtsbuches gehen vier Vor- 
reden voraus, von denen die erste, die sogenannte praefatio rhythmica, in ihrem zweiten Be- 
standteile Eike selbst zum Verfasser hat, der uns darin Aufschlüsse über die Entstehung seines 
Werkes gibt. Der Sachsenspiegel zerfällt in ein Landrechts-- und in ein Lehnrechtsbuch. Jenes 
wurde etwa hundert Jahre nach seiner Abfassung von dem Glossator Johann von Buch in drei 
Bücher eingeteilt. Die Darstellung des Dienst-, Hof- und Stadtrechts hat der Verfasser von 
vornherein aus seiner Aufgabe ausgeschlossen. Er will zwar Sachsenrecht überhaupt darstellen, 
allein vielfach beschränkt sich die Geltung der Rechtssätze des Sachsenspiegels auf die ostfälischen 
Teile des sächsischen Stammesgebietes. Besondere Rücksicht finden die Verhältnisse der sächsi- 
schen Marken und das Sonderrecht der Nordschwaben. Hauptquelle der Rechtskunde Eikes 
war das Rechtsleben in den Gebieten der Bistümer Magdeburg und Halberstadt. Mit dem 
konservativen Geiste des Niedersachsen verfolgt Eike, wie er in der gereimten Vorrede erklärt, 
die Absicht, das von den Vorfahren überlieferte Recht darzustellen. Doch trübt an einzelnen 
Stellen eine gewisse Vorliebe für Zahlenmystik die Klarheit seines Blickes. Andererseits tritt 
er auf Grund scharf ausgeprägten Rechtsgefühls und juristischer Logik als bahnbrechender Re- 
formator auf, indem er mit kühner Gestaltungskraft Rechtssätze formuliert, die erst nachmals 
auf Grund seiner Darstellung Rechtens geworden sind. 
Der Sachsenspiegel gelangte rasch zu großem Ansehen. Obwohl Arbeit eines Privat- 
manns, wurde er in den sächsischen Gerichten gleich einem Gesetzbuch angewendet. Schon im 
14. Jahrhundert hielt man ihn für ein Werk kaiserlicher Gesetzgebung, indem man das Land- 
rechtsbuch zum größten Teile Karl dem Großen, das Lehnrechtsbuch Friedrich I. zuschrieb. Der 
Sachsenspiegel wurde nicht nur in verschiedene deutsche Mundarten, insbesondere ins Hoch- 
deutsche und ins Niederländische, sondern auch mehrfach ins Lateinische und außerdem in das 
Polnische übersetzt. Im 14. Jahrhundert wurde er mit einer Glosse versehen. Die älteste Glosse 
des Landrechtes rührt von dem märkischen Ritter Johann von Buch, der im Jahre 1305 zu 
Bologna studiert hatte, und ist nach 1325, wahrscheinlich vor 1335, entstanden. Sie wurde später
	        
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