1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 107
umgearbeitet und ergänzt, noch im 14. Jahrhundert durch Nikolaus Wurm, im 15. Jahr-
hundert durch Brand von Tzerstede und durch die Gebrüder Bocksdorf. Zum Sachsen-
spiegel Lehnrechtes wurde nach dem Muster der Buch schen Glosse um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts eine kürzere und dann eine sie erweiternde längere Glosse verfaßt, die 1386 durch
Nikolaus Wurm umgearbeitet worden ist. Etwa ein halbes Jahrhundert später als die Buch-
sche Glosse entstand zu Stendal eine selbständige Glosse, die sowohl das Landrecht als das
Lehnrecht des Sachsenspiegels erläutert.
Auf Grund des Sachsenspiegels entstand in Süddeutschland, vermutlich zu Augsburg,
um die Mitte des 13. Jahrhunderts der Spiegel der deutschen Leute, eine Arbeit,
die sich nicht auf ein einzelnes Stammesrecht beschränken, sondern allgemein deutsches Recht
darstellen will. Der Sachsenspiegel Landrechts ist darin bis II 12 5 13 den süddeutschen Ver-
hältnissen entsprechend umgearbeitet, von da ab mit wenigen Anderungen ins Oberdeutsche
übersetzt. Das letztere gilt auch vom Lehnrecht. Der Deutschenspiegel wurde übrigens bald
verdrängt durch das kaiserliche Land- und Lehnrecht, den seit dem 17. Jahr-
hundert mit Unrecht sogenannten Schwabenspiegel, dessen unbekannter Verfasser,
ein Mann geistlichen Standes, die im Deutschenspiegel unvollendete Arbeit zu Ende führte,
indem er den ganzen Sachsenspiegel, wie er ihm in der Form des Deutschenspiegels vorlag,
mit Verwertung verschiedenartiger Quellen, zu einer Darstellung des deutschen Rechtes über-
haupt umarbeitete. Entstehungsort und Entstehungszeit des Rechtsbuches sind streitig. Nach
einer älteren, namentlich durch Julius Ficker verteidigten und mit Recht herrschend gebliebenen
Ansicht ist es in den Jahren 1274/75, und zwar wahrscheinlich zu Augsburg entstanden. Da-
gegen suchte Rockinger, der seit langen Jahren eine kritische Ausgabe des kaiserlichen Land-
und Lehnrechts vorbereitet, auszuführen, daß es 1259 in Ostfranken, und zwar in Bamberg
abgefaßt und dann vor Ende des Jahres 1265 zu Würzburg umgearbeitet worden sei. Gleich
dem Sachsenspiegel gelangte das kaiserliche Land- und Lehnrecht zu großer handschriftlicher
Verbreitung und zu dauerndem Ansehen. Es wurde ins Lateinische, ins Französische und ins
Tschechische übersetzt.
Auf einer Bearbeitung des Schwabenspiegels beruht ein für das Bistum Freising aus-
gearbeitetes Landrechtsbuch; es hat vermutlich den Vorsprecher Ruprecht von Freising
zum Verfasser, der 1328 mit Benutzung des Schwabenspiegels ein Freisinger Stadtrechtsbuch
ausarbeitete. Beide Werke wurden im 15. Jahrhundert zu einem Rechtsbuche für Land und
Stadt Freising verbunden.
In der Zeit Ludwigs des Bayern (vermutlich 1326—1340) schrieb, wahrscheinlich im
fränkischen Hessen, ein uns unbekannter Autor ein Rechtsbuch, welches das kleine Kaiser-
recht genannt wird. Es will gemeines Recht darstellen, wie es Karl der Große der ganzen
Christenheit gesetzt habe, und pflegt für die einzelnen Rechtssätze des Kaisers Gebot als Quelle
anzuführen. Das Rechtsbuch zerfällt in den meisten Handschriften in vier Bücher, die vom
Gerichtswesen, vom Privat= und Strafrecht, von den Reichsministerialen und vom Stadtrechte
handeln. Besondere Rücksicht wird auf die Stellung der Reichsdienstmannen und auf die Reichs-
dörfer genommen.
Eine Ergänzung zum Sachsenspiegel, nämlich eine Darstellung des Prozesses der sächfi-
schen Landgerichte, liefert der Richtsteig Landrechts, den der erwähnte Johann
von Buch vermutlich um 1335 verfaßte. Noch im 14. Jahrhundert arbeitete ein unbekannter
Verfasser das Seitenstück zu diesem Rechtsbuche, den Richtsteig Lehnrechts, aus.
Sachsenspiegel: Homeyer, Des Sachsenspiegels erster Teil (Landrecht), 3. Ausg.,
1861. Des Sachsenspiegels zweiter Teil nebst den verwandten Rechtsbüchern, I 1842, II 1844.
Ssp. Ldr. lobersächsischer Text), hrsg. v. Weiske, 7. Aufl., 1895. Die Dresdener Bilderhand-
schrift des Ssp., hrsg. v. Karl v. Amira I (1902).
Der Spiegel der deutschen Leute, hrsg. von Ficker 1859. — Sogenannter
Schwabenspiegel, hrsg. vom Freiherrn von Laßberg (Swsp. L.), 1840; von Wacker-
nagel (Das Landrecht, 8wsp. W.) 1840; von Gengler (Landrechtsbuch), 2. Aufl., 1875; von
v. Daniels in den Rechtsdenkmälern des deutschen Mittelalters, synoptisch mit dem Sachsen-
spiegel und dem französischen Schwabenspiegel. Matile, Le miroir de Souabe, 1843. Eine
kritische Ausgabe des Schwabenspiegels fehlt.
Das Stadt- und das Landrechtsbuch Ruprechts von Freysing, hrsg. von L. von
Maurer, 1839.