Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 113 
mustern entstanden Formelbücher, die ihren Formularen theoretische Auseinandersetzungen 
über die Urkunden und Urkundenarten beifügten, wie z. B. das Baumgartenberger Formel- 
buch, Formularius de modo prosandi, aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts, oder solche, die 
rein theoretische Ausführungen über Urkundenwesen enthalten, wie die Summa de arte pro 
sandi des Zürchers Konrad von Mure vom Jahre 1275/76. 
Hans v. Boltelini, Acta Tirolensia II: Erster Teil der Südtiroler Notariats-Imbre- 
viaturen des 13. Jahrh. 1899 (mit lehrreicher Einleitung). Rockinger, Briefsteller und Formel- 
bücher des 11. bis 14. Jahrh. 1863 in den Quellen und Erörterungen zur bayrischen und deutschen 
Geschichte |X. Bärwald, Das Baumgartenberger Formelbuch in den Fontes rerum Austria- 
carum, 2. Abt. XXV. Konrad v. Mure, auszugsweise bei Rockinger, Quellen und Erörte- 
rungen IX 405 ff. 
II. Das Staatsrecht. 
§8 33. Die Thronfolge. Das Deutsche Reich war ein unteilbares Wahlreich. Doch ist 
der Gedanke der Erblichkeit keineswegs sofort erloschen. Jahrhunderte hindurch ergänzten 
sich Wahl und Erbgang; die Königswahl hielt sich zunächst an das regierende Geschlecht, und 
oftmals wurde schon bei Lebzeiten des Königs der von ihm designierte Nachfolger gewählt, 
eine Sitte, die bei ungestörter Entwicklung zur Ausbildung des reinen Erbreiches geführt hätte. 
Allein während des Streites zwischen Heinrich IV. und dem Papsttum trat eine verhängnis- 
volle Wendung ein, indem eine Fürstenversammlung von 1077 zu Forchheim unter päpstlichem 
Einfluß das freie Wahlrecht, im Gegensatz zum tatsächlichen Herkommen, deklarierte. Es folgte 
eine Zeit des Kampfes zwischen den Anhängern der freien Wahl und des Erbprinzipes. Ein 
Versuch Heinrichs VI., die Krone in seinem Hause erblich zu machen, hatte kein Ergebnis. Mit 
dem Untergange der Staufer war der Sieg des reinen Wahlprinzips entschieden. Dann kam 
die Zeit der sogenannten springenden Wahlen. Seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts rangen 
die drei im Osten des Reiches zu starker Hausmacht gelangten Geschlechter der Habsburger, 
der Luxemburger und der Wittelsbacher mit wechselndem Erfolg um die deutsche Königskrone. 
Schließlich behaupteten die Habsburger das Ubergewicht, aus deren Haus von 1438 bis zu 
dessen Aussterben (1740) der deutsche König gewählt wurde. Ansprüche auf Prüfung und Be- 
stätigung der Wahl, die der Papst namentlich bei Doppelwahlen erhob, wies ein Beschluß des 
Kuwereins von Rense 1338 endgültig zurück. 
Ursprünglich war die Wahl ein Recht des ganzen deutschen Volkes. Wenn es dabei auch 
nur auf die geistlichen und weltlichen Großen ankam, so galt doch, was geschah „als Wille und 
Tat der Gesamtheit“. Das übrige Volk war von je auf die Rolle des Umstandes und das Recht 
der Folge beschränkt, das dann im 13. Jahrhundert hinwegfiel. Stand die Person des zu 
Wählenden nicht von vornherein fest (wie namentlich bei Designationen), so ging der Kur eine 
formlose Vorwahl voraus, in der die Großen sich über die Person des neuen Königs einigten. 
Bei der Kur gaben dann nur die angeseheneren Wähler den Kurspruch ab, indem sie in her- 
kömmlicher Wahlformel den Gewählten bei Namen nannten (eligere). Die übrigen stimmten 
mit gesamtem Munde zu (consensus, laudatio). Feste Grundsätze über das Recht der Kur haben 
sich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts nicht ausgebildet. Die Formen schwankten; doch trat 
bei der Königswahl von alters her die besondere Bedeutung des Erzbischofs von Mainz hervor, 
dem die prima vox und die Leitung der Wahl gebührte. Die Wahl verlangte Einstimmigkeit 
der Wähler, wobei man davon ausging, daß in der Wahlversammlung die Minderheit ver- 
pflichtet sei, der Mehrheit beizustimmen. Nur wenn getrennte Wahlversammlungen wählten, 
konnte es zu einer Doppelwahl kommen. Als 1198 die erste Doppelwahl stattgefunden hatte 
— bis dahin hatte es nur einmütige Wahlen gegeben —, wurden vereinzelte Stimmen laut, 
daß die Kur hauptsächlich gewissen Fürsten gebühre. In der Gärung der Meinungen drang 
die Ansicht durch, daß das Kurrecht in erster Linie drei geistlichen und drei weltlichen Fürsten 
zustehe, jenen Fürsten, die bei der Krönungshandlung rechtlich beteiligt seien, nämlich den drei 
rheinischen Erzbischöfen und den Inhabern der Erzämter mit Ausnahme des Königs von Böhmen, 
der zwar des Reiches Schenke sei, aber als ein nichtdeutscher Mann bei der Kur außer Betracht 
bleibe. Die Krönung hatte damals staatsrechtlichen Charakter, den der Investitur in das Königs- 
tum. Erst durch sie erwarb der Gewählte die königliche Gewalt. Gerade bei den Thronstreitig- 
Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band I. 8
	        
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