1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 117
fänglich bestimmte der König die Zahl der Schilde, die zu stellen waren. Im Laufe der Zeit
bildete sich in dieser Beziehung ein bestimmtes Herkommen aus. Besonders stark war das Reichs-
kirchengut belastet. Später wird für die Feststellung der Kontingente die Zustimmung des
Reichstags verlangt. Seit dem 15. Jahrhundert beginnen die Reichsheere sich in geworbene
Söldnerheere umzuwandeln und werden neben den Reitern die Landsknechte ein bedeutsamer
Faktor des Heerwesens.
Allgemeine und dauernde Reichssteuern gab es nicht. Die Abgaben, mit welchen seit
Feudalisierung des Heerdienstes der davon befreite bäuerliche Grundbesitz belastet wurde,
fielen nicht an das Reich, sondern an die territorialen Gewalten. Doch bezog der König spätestens
seit dem 12. Jahrhundert ordentliche Steuern aus den königlichen Städten, aus den Juden-
gemeinden, aus dem Reichskirchengut und aus den Reichsdörfern. In der königlichen Kammer
bestanden besondere Matrikeln für die Veranlagung der steuerpflichtigen Orte. Neben den
ordentlichen Steuern erhob der König bei besonderen Anlässen außerordentliche Steuern. So
z. B. Rudolf I. zur Abhaltung von Hoftagen. Eine allgemeine Reichssteuer wurde aus Anlaß
der Hussitenkriege unter Sigismund auferlegt, zuerst als gemeiner Pfennig, dann nach dem
System der Matrikularumlagen. Daß es an einer durchgreifenden Finanzverfassung und an
einer geregelten Finanzverwaltung fehlte, war eine der Hauptschwächen des deutschen Reichs-
staatsrechts. Man lebte von der Hand in den Mund und half sich zur Not mit der Veräußerung
oder Verpfändung von Einnahmequellen, soweit nicht der König erforderliche Ausgaben aus
den Einkünften seiner Hausmacht decken konnte und wollte.
§ 36. Die Kirche. Da der König das Recht hatte, die Bischöfe zu ernennen und die
Reichsabteien kraft seines Eigentums daran zu besetzen, so wurde es in nachfränkischer Zeit
Politik des deutschen Königtums, in den Bischöfen die Stützen seiner Herrschaft zu suchen und
die Bistümer und Reichsabteien mit öffentlichen Rechten und königlichen Besitzungen aus-
zustatten, womit begreiflicherweise das Streben Hand in Hand ging, die Abhängigkeit der Reichs-
kirchen zu steigern. Bistum und Reichsabtei waren Reichsämter, die den großen Vorzug besaßen,
daß der König bei ihrer Besetzung nicht wie bei den weltlichen Reichsämtern Erbansprüche zu
berücksichtigen hatte. Die UÜbergabe des Bistums und der Abtei (Investitur) erfolgte durch
Darreichung des Hirtenstabs oder mittels Ring und Stab, ohne daß dabei zwischen temporalia
und spiritualia unterschieden worden wäre. Als Papst Gregor VII. in schroffem Widerspruch
zu dem bestehenden Rechte die Laieninvestitur verbot, war dies eine revolutionäre Maßregel,
der sich der deutsche König nicht fügen konnte, ohne einen politischen Selbstmord zu begehen.
Durch das Wormser Konkordat, das den Investiturstreit zum Abschluß brachte, wurde zwar
die kanonische Wahlform anerkannt und die Investitur mit Ring und Stab beseitigt, zugleich
aber im Sinne der kaiserlichen Partei die Unterscheidung der spiritualia und der temporalia
praktisch durchgeführt, indem bestimmt wurde, daß der Gewählte — in Deutschland vor der
Weihe — gegen Treueid und homagium vom König die Regalien per sceptrum
empfangen solle. Als Regalien faßte man aber die Gesamtheit aller den einzelnen
Bistümern zugehörigen Gütermassen und weltlichen Rechte ohne Unterscheidung des
Erwerbstitels zusammen.
An den Rechten des Königs über das Reichskirchengut und die sonstigen der Kirche zu-
stehenden Regalien hat der Ausgang des Investiturstreites im wesentlichen nichts geändert,
wohl aber eine Umwandlung angebahnt, welche die rechtliche Auffassung des Verhältnisses
der Reichskirchen zum Reiche betrifft. Das Reichskirchengut war tatsächlich von je ein dem
echten Lehen verwandtes Besitzverhältnis. Es wurde aber nicht von Anfang an als Lehen auf-
gefaßt, obwohl es dem Inhaber Pflichten und Beschränkungen auferlegte, die zum Teil über
das echte Lehen hinausgehen und in letzter Linie auf Grundsätze des germanischen Schenkungs-
begriffes zurückführen. König oder Reich galten nicht etwa als Eigentümer des Kirchengutes,
allein es wurde in der Hand des jeweiligen Amtsinhabers wie ein vom König geschenktes Gut
behandelt. Der König übte die Rechte des Gebers. Zu Veräußerungen und zu Belastungen
war seine Zustimmung erforderlich. Starb der Amtsinhaber, so hatte der König das Recht
der Investitur des Nachfolgers; seit Friedrich I. nahm er auch das aus dem Eigenkirchenrechte
stammende jus spolii in Anspruch. Sede vacante fielen die Nutzungen des Kirchengutes an den