132 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
einzelne Rechte. Allgemein galt für zulässig die freiwillige Verknechtung sowie die Verpfändung
der Freiheit von Seite des Schuldners.
Die wichtigste Aufhebungsart der Knechtschaft war die Freilassung. Noch in fränkischer
Zeit machte sie den Freigelassenen nicht vollfrei, sondern stellte ihn als Schutzhörigen unter die
Vertretung des früheren Herrn oder der Kirche, welche die Freilassung vermittelte. Doch gab
es von je Freilassungsformeln, welche die volle Freiheit begründeten. Diese Wirkung hatte
bei den Franken die vor dem König durch Schatzwurf vorgenommene Freilassung (manumissio
per denarium). Gleiche Kraft erlangten in nachfränkischer Zeit auch die übrigen Freilassungs-
arten, von denen die durch Freibrief oder vor Zeugen die gebräuchlichste wurde.
Die halbfreien oder grundhörigen Leute hatten nur gemessene Abgaben und Dienste zu
leisten und waren vermögensfähig. Doch hatte nach ihrem Tode der Herr Anspruch entweder
auf eine Quote des Vermögens (buteil) oder auf eine bestimmte Abgabe, Besthaupt, Todfall,
Sterbfall, mortuarium, meist das beste Stück Vieh (Sterbochse, Todgans) und das beste Gewand
(Gewandfall). Bei der Verehelichung mußten sie den Konsens des Herrn erkaufen oder eine
fixierte, aus der Schutzhörigkeit herrührende Mundgebühr entrichten, maritagium, vacimonium,
beddemund, bümede. An dem Gute, das sie bewirtschafteten, erwarben sie unvererbliches
oder bedingt vererbliches Recht. An die Scholle gebunden, konnten sie nicht ohne die Scholle
veräußert, nicht ohne Rechtsgrund davon entfernt werden. "
Für rechtlos galten in ältester Zeit auch die Fremden. Doch milderte das Gastrecht die
Härte dieses Rechtssatzes. Fremde, die heimische Märkte besuchten, schützte der Marktfriede.
Zudem konnte sich der Fremde unter den Schutz eines Volksgenossen stellen. Schon früh bildete
sich ein subsidiärer Schutz der Königs zugunsten von Fremden, die keinen anderen Schutzherrn
hatten. Im Deutschen Reiche wurde der Fremdenschutz ein nutzbares Regal, das die Landes-
herren namentlich in der Richtung geltend machten, daß sie den Nachlaß des in ihrem Lande
verstorbenen Fremdlings sich aneigneten oder wenigstens einen Abzug erhoben oder einen Sterbe-
fall geltend machten.
Die vorhandene Rechtsfähigkeit konnte vollständig verloren gehen, wenn jemand aus.
der Friedensgemeinschaft ausgeschlossen, wenn die Friedlosigkeit, die Oberacht über ihn ver-
hängt wurde. Der Friedlose konnte nicht nur bußlos und straflos getötet werden, sondern er
galt auch für bürgerlich tot; er vermochte im Zustande der Friedlosigkeit weder ein rechtes Ehe-
weib, noch echte Kinder zu gewinnen; er verlor sein Vermögen, die Vermögens- und die Ge-
richtsfähigkeit. Doch konnten die Erben sein liegendes Gut an sich ziehen, wenn sie eidlich ver-
sprachen, dem Achter daraus nichts zukommen zu lassen.
Dagegen liegt nur eine Schmälerung der Rechtsfähigkeit wegen Mangels der Ehre in
der sogenannten Rechtlosigkeit, die uns am deutlichsten in den sächsischen Rechtsbüchern ent-
gegentritt. Unter den Rechtlosen sind zwei Hauptgruppen zu unterscheiden, jene, die rechtlos
sind wegen Geburt und entehrenden Gewerbes (uneheliche Kinder, Kämpen und deren Kinder,
Spielleute), und jene, die ihr Recht verwirkt haben. Die Quellen sprechen im ersteren Falle
auch von Unechtheit, im zweiten von Recht und Ehrlosigkeit. Jedem Rechtlosen fehlt das Wer-
geld und die normale Buße, doch stand er unter dem allgemeinen Frieden. Wer diesen an ihm
verletzte, verfiel öffentlicher Strafe und mußte in leichteren Fällen Friedensgeld bezahlen. Da
aber ein solches stets einer Buße für die verletzte Partei entsprechen mußte, waren für die Recht-
losen Scheinbußen gesetzt, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß ihnen zwar die subjektive
Rechtsfähigkeit, nicht aber der Schutz des objektiven Friedens gebrach. Der Rechtlose war ferner
lehensunfähig und konnte gewisse öffentliche Stellungen nicht einnehmen, gewisse prozessualische
Handlungen nicht verrichten, die Unbescholtenheit der Ehre voraussetzten. Als das Buß- und
Wergeldsystem vollständig verschwand, waren es die letztgenannten Folgen allein, die den Inhalt
der Rechtlosigkeit ausmachten. Wer sein Recht verwirkt hatte, trug nicht nur die allgemeinen
Folgen der Rechtlosigkeit, sondern entbehrte auch die Eidesfähigkeit. Aus der Recht= und Ehr-
losigkeit, die durch Rechtsverwirkung eintrat, ging nachmals die Ehrlosigkeit, die sich u. a. in
der Zeugnisunfähigkeit äußerte, aus der alten Unechtheit die sogenannte Anrüchigkeit hervor.
Das Ständewesen beeinflußte die Rechtsfähigkeit, sofern für gewisse gerichtliche Hand-
lungen (Herausforderung zum Zweikampf, Zeugnis, Urteilfindung, Funktion als Vorsprecher),
für die Vormundschaft, für den Erbgang und für die Eingehung einer vollwirksamen Ehe Eben-