1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 139
Klausel, durch die sich der Schuldner verpflichtete, einem namentlich genannten Gläubiger zu
zahlen oder demjenigen, cui dederit hanc cautionem ad exigendum. Italienische Urkunden
bieten im 8. Jahrhundert die Klausel vel cui in manum miseris, im 12. Jahrhundert als deut-
lichen Vorläufer der heutigen Orderklausel die Wendung vel cui ordinaveris dar. In den deutsch
geschriebenen Urkunden des Mittelalters finden wir die typische Klausel: oder wer diesen Brief
mit ihrem Willen (ihrem guten Willen) innehat. Die Wirkung des Orderpapiers bestand darin,
daß der Schuldner verpflichtet war, dem Präsentanten der Urkunde zu leisten, wenn dieser be-
weisen konnte, daß ihm der namentlich Genannte das Papier gutwillig begeben habe. Der
Beweis dieser Begebung konnte durch eine besondere Urkunde des namentlich Genannten (Wille-
brief) oder durch andere beliebige Beweismittel geführt werden. Das Erfordernis des Be-
gebungsbeweises entfiel bei den Inhaberpapieren. Diese kennzeichnen sich durch die Inhaber-
klausel, die entweder als alternative oder als reine Inhaberklausel erscheint. Jene verspricht,
daß an eine namentlich genannte Person oder an den Inhaber, diese schlechtweg, daß an den
Inhaber geleistet werden solle. Beide Klauseln finden sich zuerst in italienischen Urkunden;
im 9. Jahrhundert tritt daselbst die alternative Inhaberklausel, etwa ein Jahrhundert später
die reine Inhaberklausel auf. Seit dem 13. Jahrhundert lassen sie sich auch in deutschen Ur-
kunden nachweisen. Der Präsentant des Papiers mit der Inhaberklausel war zur gerichtlichen
und außergerichtlichen Geltendmachung des verbrieften Rechtes befugt. Der Schuldner konnte
weder den Beweis einer Vollmacht oder der Sukzession in das Recht des ersten Nehmers ver-
langen, noch konnte er dem Inhaber die Einrede unrechtmäßigen Papiererwerbes entgegensetzen.
& 50. Die Haftung. Haftung ist Einstehen für eine Schuld. Man kann haften, ohne zu
schulden. Haften kann nicht nur eine Person, sondern nach dem Sprachgebrauch der Quellen
auch eine Sache, die Person mit Leib, Freiheit, Ehre und mit ihrem Vermögen oder einem
davon. Man kann haften für eigene und für fremde Schuld.
Für fremde Schuld haftete der in der Gewalt des Gläubigers befindliche Geisel. Für
fremde Schuld haftete der Bürge, und zwar derart, daß der Gläubiger sich in erster Reihe an
den Bürgen halten konnte, der nach älterem Rechte seinerseits befugt war, den Schuldner außer-
gerichtlich zu pfänden, ja sogar dessen Person dem Gläubiger auszuliefern. Der Bürgschafts-
vertrag wurde rechtsförmlich, bei den Franken in der Form der Wette abgeschlossen, indem
die Wadia (hier ein Stab) vom Schuldner dem Gläubiger, von diesem dem Bürgen übergeben
wurde, der dadurch Gewalt über den Schuldner erlangte. Bürgschaftsschuld ging nicht auf
die Erben über, wenn diese sich nicht mitverbürgt hatten. Das ältere fränkische Recht entwickelte
in Fällen, wo Bürgschaft verlangt wurde, eine Selbstbürgschaft, bei welcher der Schuldner,
der keinen Bürgen stellen konnte, sich in der Rechtsform der Bürgschaft für die versprochene
Leistung haftbar machte.
Von alters her bestand innerhalb des Rahmens der Friedlosigkeit eine Haftung von Rechts
wegen, so für Schulden aus Missetaten und für Schulden, die sich durch rechtswidriges Ver-
halten des Schuldners zu Missetaten gesteigert hatten. Aus der vertragsmäßigen Übernahme
einer Haftung, aus besonderen Haftungsgeschäften, wodurch der Schuldner seine Person oder
nur das Vermögen (Vermögenshaftung) oder die Person ohne das Vermögen für die Schuld
einsetzte und dem Zugriff des Gläubigers (unabhängig von der Friedloslegung) unterwarfs,
sind vermutlich die oben § 49 erwähnten Vertragsformen der Wette und des Treugelöbnisses
hervorgegangen. Solche Haftungsgeschäfte ersparten dem Gläubigern in allen Fällen die
langwierige und nicht immer zum Ziele führende Betreibung einer Friedloslegung des
Schuldners.
Das ältere Recht überließ den Schuldner, der eine Bußschuld nicht bezahlen konnte, der
Willkür des Gläubigers. Dieser mochte ihn als einen Friedlosen behandeln, der seiner Rache
verfallen war, er mochte ihn töten, verstümmeln, mißhandeln, in Haft oder Zwangsknechtschaft
halten. Die weitere Entwicklung schwächte die Willkür des Gläubigers ab, beseitigte sie aber
nicht vollständig, damit er Zwangsmittel in der Hand behalte, um den Schuldner zu freiwilliger
Begebung in die Schuldknechtschaft zu veranlassen. Diese Bedeutung hatte das in jüngeren
Quellen hier und da noch begegnende Verstümmelungsrecht des Gläubigers. Im allgemeinen
wurde aber das Recht des Gläubigers dahin beschränkt, daß er den Schuldner ohne Schaden