1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 143
wetma, angelsächsisch weotuma, ahd. wicemo) bestanden gesetzliche Ansätze, die in den verschiedenen
Stammesrechten verschieden normiert waren. Uranfänglich war die Zahlung des Kaufpreises
wesentlich für die bindende Kraft der Verlobung. Dies änderte sich entsprechend der allgemeinen
Wandlung des Vertragsrechtes. Für den Abschluß des Vertrags genügte die Zahlung eines
Handgeldes, das bei den Franken einen solidus und einen denarius betrug und allmählich den
Charakter eines symbolischen Kaufpreises erhielt. Außerdem war es zulässig, den Kaufpreis
mit Hingabe einer wadia zu versprechen, die Verlobung beiderseits durch Wettvertrag ab-
zuschließen. Galt nach ursprünglicher Auffassung die Braut selbst als Gegenstand des Kauf-
vertrags, so machte sich bei fortschreitender Entwicklung eine verfeinerte Anschauung geltend.
Wo die Kaufidee wenigstens formell festgehalten wurde, betrachtete man als Kaufobjekt nicht
mehr die Braut, sondern das Mundium über sie, das um den Kaufpreis (langobardisch mundius,
friesisch mundscet, Mundschatz) abgelöst werden soll. In der Regel trat die Kaufidee auch der
Form nach zurück, und sachlich wurde die Verlobung allenthalben für den Bräutigam zur Ver-
pflichtung, die Braut heimzuführen und ihr ein Wittum (dos) zu bestellen, so daß die puella
emta sich in eine puella dotata verwandelte. Es ging nämlich vom 6. bis zum 9. Jahrhundert
bei den verschiedenen Stämmen eine Veränderung in dem Charakter und Zweck des Kauf-
preises vor sich. Nachdem es Sitte geworden, daß der Vater oder Vormund einen Teil des
Kaufpreises oder dessen ganzen Betrag der Braut zuwendete, fiel dieser schließlich von Rechts
wegen ganz oder zum größten Teile an die Braut mit der Bestimmung, deren Witwenversorgung
zu bilden.
Der zweite wesentliche Akt der Eheschließung, die Trauung, bestand darin, daß die Braut
in Gegenwart der Verwandten dem Bräutigam von dem Vormunde feierlich mit Übergabe
bestimmter Trauungssymbole tradiert wurde, woran sich nach mehreren Rechten die Heim-
führung der Braut, der Brautlauf, anschließen mußte. Erst mit der Trauung wurde die Ehe
perfekt. Die Verlobung an sich übertrug noch kein Mundium. Entführung oder Raub der noch
nicht angetrauten Braut wurde nicht dem Bräutigam, sondern dem Mundwalt gebüßt. Die
Mundgewalt und mit ihr die Vertretung der Frau gegen Dritte ging von dem Vormunde auf
den Bräutigam erst durch die Trauung über.
Später wird die Verlobung unmittelbar zwischen Bräutigam und Braut mit Zustimmung
des Vormundes abgeschlossen. Die Tranung verliert den Charakter der traditio puellae und
wird zur gegenseitigen Trauung. Die Volkssitte verlegt den Trauungsort aus dem Hause des
Vormundes vor die Kirchentür, um die Offentlichkeit des Aktes zu erhöhen und ihm die Ein-
segnung des getrauten Paares in der Kirche unmittelbar folgen zu lassen.
Friedlosigkeit des Ehemannes oder der Ehefrau führte von Rechts wegen die Auflösung
der Ehe herbei. Die Ehe konnte aber auch vertragsmäßig geschieden werden, und zwar durch
einen zwischen dem Ehemann und der Sippe der Frau abgeschlossenen Scheidungsvertrag.
Außerdem konnte der Mann die Ehe einseitig scheiden. Die einseitige Scheidung war entweder
eine rechtmäßige, wenn sie ex iusta causa, z. B. wegen Unfruchtbarkeit des Weibes, erfolgte.
Oder sie war eine rechtswidrige; dann löste sie zwar die Ehe auf, allein der Mann setzte sich der
Fehde der Verwandten seiner verstoßenen Frau aus, oder die Scheidung hatte eine Buße und
vermögensrechtliche Nachteile zur Folge. Einseitige Scheidung durch den Willen der Frau
war dem älteren Rechte unbekannt. Aber noch in fränkischer Zeit wurde eine Ehescheidung
durch Scheidungsvertrag beider Ehegatten Rechtens, und erlangte auch die Frau in gewissen
gesetzlichen Fällen ein einseitiges Scheidungsrecht. Seit Karl dem Großen drangen die kirch-
lichen Grundsätze über Ehescheidung in das weltliche Recht ein. Im 10. Jahrhundert erwarb
die Kirche die ausschließliche Gerichtsbarkeit in Sachen der Ehescheidung, die von da ab nur nach
kirchlichem Rechte beurteilt wurde.
§s 53. Das eheliche Güterrecht. Das eheliche Güterrecht der fränkischen Zeit erscheint
in der Hauptsache als ein auf der vormundschaftlichen Gewalt des Mannes beruhendes System
der Verwaltungsgemeinschaft. Die Trauung schloß als Ubergabe der Braut auch die Uber-
gabe ihres Vermögens in sich. Der Mann hatte daher Besitz und Verwaltung des Frauen-
gutes, er hatte daran, wie es später heißt, eine Gewere zu rechter Vormundschaft. Kraft dieser
mochte er Frauengut zu ehelichen Zwecken veräußern; nur bezüglich des liegenden Gutes war