1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 159
zufassen. Doch blieb dieser Plan unter der Regierung Maximilians I. trotz aller Verhandlungen
resultatlos. Der Wormser Reichstag von 1521 griff ihn wieder auf. Ein vom Reichstag ein-
gesetzter Ausschuß legte noch in demselben Jahre den fertigen Entwurf einer peinlichen Gerichts-
ordnung vor (erstes Projekt). Dieser schloß sich fast wörtlich an eine Bamberger Halsgerichts-
ordnung von 1507 an, die der Landhofmeister des Bischofs Georg von Bamberg, Johann Frei-
herr zu Schwarzenberg und Hohenlandsberg, ausgearbeitet hatte. Als Quellen der Bam-
bergensis hatten außer der heimischen Praxis eine bambergische Landgerichtsordnung von 1503,
die Nürnberger und Wormser Reformation, der Klagspiegel, einige Reichsgesetze und insbesondere
die kriminalistische Literatur der italienischen Juristen gedient. Das durch Originalität, Form
und Inhalt ausgezeichnete Werk erwarb sich rasch wohlverdientes Ansehen; 1516 wurde es mit
geringfügigen Anderungen von den Markgrafen Kasimir und Georg von Brandenburg in ihren
fränkischen Fürstentümern als Gesetz eingeführt. Die wichtigste Bedeutung erlangte die Bam-
bergensis, indem sie die Strafrechtsreform des Reiches in Fluß brachte und zur Grundlage des
Reichsstrafrechtes wurde (daher mater Carolinae genannt). Doch dauerte es noch lange Jahre,
bis darüber eine allgemeine Verständigung erreicht wurde. Das auf Grund der Bambergensis
ausgearbeitete Projekt von 1521 mußte noch mehrfache Revisionen erfahren. Ein zweites
Projekt (die Nürnberger Revision) wurde vom Reichsregimente 1524 dem Nürnberger Reichs-
tage, ein drittes (Speierer Revision) 1529 dem Reichstage von Speier vorgelegt. Auf dem Augs-
burger Reichstage von 1530 kam ein viertes Projekt, der Augsburger revidierte Entwurf, zu-
stande, welcher endlich auf dem Regensburger von 1532 von den Reichsständen genehmigt und
durch Reichsabschied vom 27. Juli 1532 als „des Kayser Karls V. und des heyl. römischen Reichs
peinliche Gerichtsordnung“ publiziert worden ist. Schwierigkeiten, die zuletzt von einzelnen
Reichsständen wegen des Verhältnisses der Carolina zu den bestehenden Partikularrechten er-
hoben worden waren, fanden ihre Erledigung durch die sogenannte salvatorische Klausel, welche
die Erhaltung der „alten, wolhergebrachten rechtmessigen und billichen gebreuche“ garantierte.
Auf dem Gebiete des Privatrechtes hat die Reichsgesetzgebung fast nichts geleistet. Es
können nur die Reichsnotariatsordnung von 1512, die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548
und 1577, die Reichsabschiede von 1498 (Freiburg), 1500 (Augsburg), 1521 (Worms), 1529
(Speier), betreffend Fragen des Erbrechtes, der Reichsschluß von 1731 über Handwerksmiß-
bräuche und einzelne Bestimmungen über Münzwesen, Wucher, Zession von Forderungen,
Wechsel, Juden, Zinsfuß und Rentenkauf hervorgehoben werden. Für das bürgerliche Gerichts-
verfahren sind zu nennen die Reichskammergerichtsordnungen von 1495, 1521, 1548, 1555,
die Reichshofratsordnungen von 1559 und 1654 und insbesondere der jüngste Reichsabschied,
der einige wichtige Grundsätze des Prozeßrechtes feststellte.
Deutsche Reichstagsakten, jüngere Reihe IIIV (1519 ff.), 1893—1902. Japitulationen
imper. et regum etc. cum annotamentis Joh. Limnaei 1658. Ziegler, Wahl-Capitula-
tiones 1711. — Die neue vollständigere“ (Senckenberg-Kochsche) Sammlung der Reichs-Abschiede
geht nur bis 1730. Eine systematisch geordnete Sammlung bietet K. Fr. Gerstlacher, Hand-
buch der deutschen Reichsgesetze, 1786—1794, eine Auswahl Zeumers Quellensammlung zur Gesch.
der deutschen Reichsverfassung 1904. Emminghaus, Corpus iuris germanici academicum, 2. Aufl.,
1844. Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. nebst der Bamberger und der Brandenburger
Lolzgerichtvordnung und mit den Projekten von 1521 und 1529 (synoptisch), hrsg. von Zöpfl,
1876 ie peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V., hrsg. v. J. Kohler und
W. 3 eel, 1900. Die Bambergische Halsgerichtsordnung, hrsg. von denselben, 1902.
* 63. Landes= und Stadtrechte. Da die Reichsgesetzgebung es unterließ, den durch die
Rezeption arg erschütterten Rechtszustand in umfassender Weise zu ordnen, sah man sich in der
Mehrzahl der größeren Territorien veranlaßt, im Wege der Landesgesetzgebung der auf den
Gebieten des Privat= und Prozeßrechtes eingetretenen Rechtsunsicherheit zu steuern und das
in der Praxis schwankende Verhältnis des heimischen Rechtes zu den fremden Rechten zu regeln.
So entstand in den einzelnen Territorien eine fast unübersehbare Zahl von Landesordnungen,
Gerichtsordnungen und Spezialgesetzen, die meist unter dem Einfluß fremdrechtlich geschulter
Juristen abgefaßt sind und daher hauptsächlich auf dem fremden Rechte fußen. Im Gegensatz
zu den Kodifikationen, als deren Vorläufer sie gelten können, lassen jene Ordnungen neben
ihren Rechtssätzen das gemeine Recht als ein subsidiäres Recht bestehen. Besonders hervor-
zuheben sind: des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg Konstitution, Willkür und Ordnung