2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 188
c) Spezialgesetze. Schon seit dem Mittelalter wurden zahlreiche ganz oder
halb privatrechtliche Materien durch Spezialgesetze geregelt. Sie vor allem vollzogen die
Rechtsfortschritte und verhalfen deutschen Rechtsgedanken zum Durchbruch.
III. Seit der Reichsgründung.
1. Gemeindeutsche. Nachdem der Norddeutsche Bund Gesetzgebungsgewalt für
einen Teil des Privatrechts empfangen und das Deutsche Reich sie erweitert übernommen
und durch Gesetz vom 20. Dezember 1873 auf das gesamte bürgerliche Recht erstreckt hatte,
erstand ein neues gemeines deutsches Recht. Die Hauptmasse des Privatrechts ist im BG.
kodifiziert. In ihm hat das nationale Recht, das der erste Entwurf von neuem romanistisch
zu verkümmern drohte, zwar kaum den ihm gebührenden Platz, aber doch eine mitherrschende
Stellung behauptet. Daneben greifen zahlreiche ältere und jüngere besondere Reichsgesetze
tief in das Privatrecht ein. Ihr Inhalt ist überwiegend deutscher Herkunft.
2. Partikuläre. In den Einzelstaaten wurden neue Gesetzbücher nicht mehr er-
lassen wohl aber mancherlei Spezialgesetze, von denen viele in Kraft geblieben sind. Sodann
ergingen überall Ausführungsgesetze zum BG#B. und dessen Nebengesetzen, um das fortgeltende
Landesrecht dem Reichsrecht anzupassen. In den Ausführungsgesetzen, mehrfach auch in
besonderen Landesgesetzen sind zum Teil deutschrechtliche Materien neu kodifiziert.
§ 4. Literatur des deutschen Privatrechts. Die älteste Bearbeitung des deutschen
Privatrechts findet sich in den Rechtsbüchern des Mittelalters. An ihre Stelle traten zunächst
die populären Schriften, die das fremde Recht in deutscher Sprache und in Anpassung an
deutsche Verhältnisse für Schöffen und Laien darstellten. Unter ihnen ragt der Laienspiegel
von Ulrich Tengler (zuerst 1509) hervor. Als mit dem Ende des 16. Jahrhunderts die Abdrängung
des Volkes vom Rechtsleben vollendet war, verstummte auch diese Literatur. Die gelehrte,
lateinisch schreibende romanistische Jurisprudenz trat die Alleinherrschaft an. Auch die roma-
nistische Jurisprudenz aber konnte insoweit, als sie sich mit der Praxis beschäftigte, das ein-
heimische Privatrecht nicht ganz vernachlässigen. Dies ergeben namentlich die Sammlungen
und Bearbeitungen der Entscheidungen von Rechtsfällen, wie sie in den Werken der Reichs-
kammergerichtsjuristen (besonders Mynsinger und Gailh), den ähnlichen Arbeiten über
die Praxis oberer Landesgerichte, den Spruchsammlungen der Juristenfakultäten und den seit
Zasius von fast jedem bedeutenden Juristen herausgegebenen Consilia und Respusa
vorliegen. Eingehender noch behandeln das einheimische Recht die Darstellungen des usus
modernus pandectarum, wie die Jurisprudentia forensis von B. Carpzov (1638), die
Praxis juris Romani in foro Germanico von J. Schilter (1692, zuerst 1675 als Exer-
citationes ad 50 libros Pandectarum), das Specimen usus oderni Pandectarum von S. Stryck
(1690 ff.), die Meditationes ad Pandectas von A. de Leyser (1717 ff.) und die Exercitationes
ad Pandectas von J. H. Boehmer (1745 ff.). In den Pandektenkommentaren und Pan-
dektensystemen setzte sich die Heranziehung des deutschen Rechts bis zur Gegenwart fort.
Eine selbständige Wissenschaft des deutschen Privatrechts erwuchs
seit Beginn des 18. Jahrh. auf der geschichtlichen Grundlage, die F. Conring (1606—1681)
durch Aufhellung der deutschen Rechtsgeschichte geschaffen hatte. Man hielt jetzt an den Uni-
versitäten eigene Vorlesungen über deutsches Privatrecht (zuerst Thomasius in Halle um
1700, dann sein Schüler G. Beyer in Wittenberg 1707) und gab Lehrbücher und Handbücher
des deutschen Privatrechts heraus. Anfänglich überwog eine mehr historische Richtung, die aber
Veraltetes und Lebendiges zusammenwarf. Ihr bedeutendster Vertreter war Heineccius.
Daneben kam eine mehr praktische, auf umfassende Vergleichung der Partikularrechte ge-
gründete, stark naturrechtlich gefärbte Behandlung auf. Zum Siege brachte sie Selchow.
Einen erheblichen Fortschritt im Sinne dogmatisch-systematischer Verarbeitung des Stoffs voll-
zog Runde (1741—1807). Neuen geschichtlichen Geist flößte K. F. Eichhorn (1781—1854),
der Neubegründer der deutschen Rechtsgeschichte, auch dem deutschen Privatrecht ein. Gleich-
zeitig erwarb sich Mittermaier (1787—1867) das Verdienst, durch Herbeischaffung von
massenhaftem Material und Vergleichung der verwandten außerdeutschen Rechte den Ge-
sichtskreis zu erweitern. Neue Anregungen gingen von W. E. Albrecht (1800—1870) durch
seine Schrift über die Gewere (1828), weiter von Phillips (1804—1872), Bluntschli