2 O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 193
Stück Persönlichkeit empfangen. Menschliche Willensträger aber sind sowohl die einzelnen
Menschen wie die menschlichen Verbände. Die Personen sind daher Einzelpersonen oder Ver-
bandspersonen. Rechte und Pflichten können einer Person für sich oder mehreren Personen
gemeinschaftlich zustehen. Das deutsche Recht kennt gleich dem römischen Recht Gemeinschafts-
verhältnisse, bei denen die Personen als solche unverbunden und entweder eine jede zu einem
gesonderten Anteil (pro rata) oder jede für sich auf das Ganze (in solicum) berechtigt oder ver-
pflichtet sind. Das deutsche Recht kennt aber abweichend vom römischen Recht auch Gemein-
schaftsverhältnisse, bei denen die Personen als solche verbunden sind und in ihrer Verbundenheit
(als personenrechtliche Gemeinschaft) das Subjekt darstellen.
Obiekte der Rechte sind in erster Linie die Personen füreinander. Allein, insoweit
eine Person der rechtlichen Herrschaft einer anderen Person unterworfen ist, tritt sie ihr als
Pflichtsubjekt gegenüber und ist daher niemals Objekt schlechthin. Rechtsobjekt im technischen
Sinne ist vielmehr das mittels der über andere Personen gewährten Willensmacht in näherer
oder entfernterer Weise der rechtlichen Herrschaft des Subjektes unterworfene Stück der äußeren
Güterwelt. Das unpersönliche Rechtsobjekt, das im Sprachgebrauch des BGB. „Gegenstand“
(bisher „Sache") heißt, ist entweder eine körperliche „Sache“, d. h. ein Naturgegenstand in
der Totalität seiner zur rechtlichen Beherrschung geeigneten Beziehungen, oder ein unkörper-
licher Gegenstand („unkörperliche Sache'"), d. h. ein ideell begrenzter Ausschnitt der Güter-
welt. Unkörperlicher Gegenstand kann ein verselbständigter Teilinhalt einer körperlichen Sache
(3. B. ihr Nutzen), eine verselbständigte Leistung einer anderen Person (z. B. als Gegenstand
einer Forderung) oder ein als Persönlichkeitsgut verselbständigtes Stück der eigenen persön-
lichen Sphäre (z. B. ein Tätigkeitsbereich oder ein Geisteserzeugnis) sein. Ein ungenauer
(auch im BGB. durchgeführter) Sprachgebrauch verwendet den Ausdruck „Rechte“ zugleich
für die unkörperlichen Rechtsgegenstände.
Für den Inhalt der Rechtsverhältnisse sind im Privatrecht zunächst die Rechte maß-
gebend, denen die Pflichten als Korrelat gegenüberstehen. Je nachdem das Recht eine Ver-
pflichtung für jedermann, den es angeht, oder für eine bestimmte Person begründet, unter-
scheidet man absolute und relative Rechte. Doch sind manche Rechte gemischter Natur.
Immer aber empfangen die Rechte ihre nähere Bestimmung erst durch eine objektive Be-
ziehung oder Begrenzung der Willensmacht. «
Hierauf gründet sich die unserem Privatrechtssystem zugrunde liegende Einteilung
der Rechte nach dem Objekt. Für das deutsche und moderne Recht reicht hierbei die
Pandektenschablone nicht aus. Vielmehr sind zuvörderst 1. als eine besondere Gruppe die
Persönlichkeitsrechte anzuerkennen, die als absolute Rechte der Person ein Persönlichkeitsgut
gewährleisten. 2. Eine zweite Gruppe bilden die Sachenrechte, die als absolute Rechte eine
Herrschaft über eine Sache begründen. 3. Eine dritte Gruppe besteht aus den Forderungs-
rechten, die als relative Rechte eine bestimmte Leistung einer anderen Person zum Gegenstand
haben. 4. Die vierte Gruppe umfaßt die Personenrechte, die als gemischte Rechte eine begrenzte
Macht an einer anderen Persönlichkeit gewähren und erst mittelbar Sachen ergreifen oder zu
Handlungen verpflichten. Dahin gehören: a) Rechte kraft Gemeinschaftsbandes, Familien-
rechte, aber auch andere Gemeinschaftsrechte; b) Rechte kraft Verbandsorganisation, Rechte
der Verbandspersonen an ihren Gliedpersonen und der Gliedpersonen an ihrer Verbands-
person; c) Rechte auf den Rückstand einer Person, Erbrecht und Anfallsrecht an der Hinter-
lassenschaft einer Verbandsperson.
Daneben hat für das deutsche Recht die Einteilung der Rechte nach dem
Subjekt besondere Bedeutung. Je nachdem das Subjekt unmittelbar bestimmt ist oder
durch die Rechtsschicksale einer Sache bestimmt wird, kann man Personalrechte, die wieder
höchstpersönlich oder übertragbar sein können, und Realrechte unterscheiden. Doch ist der
Name „Realrechte" nur für die dem jedesmaligen Eigentümer einer unbeweglichen Sache zu-
stehenden Rechte gebräuchlich. Die Bestimmung des Subjekts durch das Eigentum an einer
beweglichen Sache begegnet namentlich bei den Wertpapieren. (Vgl. unten § 41.)
Den auf unmittelbare Beherrschung eines Obijektes gerichteten Rechten (Herrschafts-
rechten), die allein eine selbständige Bedeutung für das Privatrechtssystem haben, treten als
Hilfsrechte die das ganze System durchziehenden Gestaltungsrechte (Rechte des recht-
Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band 1 13