194 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
lichen Könnens) zur Seite, deren Inhalt sich in der Macht zur Begründung, Veränderung oder
Aufhebung eines Herrschaftsrechtes erschöpft.
§ 13. Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch Handlungen. Die Rechtsverhältnisse
werden begründet, verändert und aufgehoben durch die Verwirklichung von Tatbeständen,
mit denen ein Rechtssatz diese Wirkung verknüpft. Solche Tatbestände sind vor allem mensch-
liche Handlungen und im Privatrecht, da es eine Sphäre der Freiheit schafft, in erster Linie
Handlungen der Beteiligten. Unter ihnen sind die wichtigsten die dem Willen gemäß wirkenden
Rechtsgeschäfte und die dem Willen entgegenwirkenden unerlaubten Handlungen.
Die allgemeinen Grundsätze über Rechtsgeschäfte sind bei uns wesentlich aus dem
römischen Rechte entwickelt, wenngleich das deutsche Recht vielfach (z. B. in bezug auf das
Verhältnis von Wille und Erklärung, die Bedeutung der Willensmängel, die Arten der Un-
gültigkeit, die Erweiterung des Vertragsbegriffs) eingewirkt hat. Deutscher Herkunft ist in-
besondere die (ursprünglich nur kraft herrschaftlicher oder genossenschaftlicher Verbindung, schon
im Mittelalter jedoch auf Grund einer Vollmacht zulässige) freie und unmittelbare rechtsgeschäft-
liche Stellvertretung, kraft deren die gehörige Handlung des Vertreters in der Person des
Vertretenen und nur in dieser wirksam wird, und die Scheidung der äußeren Vertretungs-
macht von dem zugrunde liegenden inneren Verhältnis.
Fast ausschließlich aus einheimischem Recht stammt, was an Formen der Rechts-
geschäfte bei uns lebendig ist. Der ausgebildete Geschäftsformalismus des älteren deutschen
Rechts geriet freilich seit der Rezeption in Verfall. Im gemeinen Recht drang, da sich die
römischen Formen nur in beschränktem Umfange einbürgern ließen, die Regel der Formfrei-
heit durch. Allein in den Partikularrechten baute sich aus den Trümmern der deutschen
Formen ein neuer Geschäftsformalismus auf. Das BG#B. hat zwar den Grundsatz der Form-
freiheit verallgemeinert, durchbricht ihn aber bei zahlreichen Rechtsgeschäften, deren Zustande-
kommen es von der Beobachtung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form abhängig macht. Uber-
dies kann für den einzelnen Fall rechtsgeschäftlich eine Form bedungen werden, die dann im
Zweifel gleichfalls wesentlich ist. Endlich werden oft freiwillig Formen angewandt, um den
Augenblick des Abschlusses zu fixieren und den Beweis zu sichern.
Unter den einzelnen Formen des deutschen Rechts sind die einstigen sinnbild-
lichen Handlungen und feierlichen Worte bis auf geringe Reste (z. B. Handschlag, Zuschlag,
Eidesformel) verschwunden. Dagegen ist die einfache oder gesteigerte Schriftform zu hoher
Bedeutung entwickelt. Die Verwendung der Urkunde als Mittel des Geschäftsabschlusses,
die beim Urkundungsakt (traditio cartae) erfolgte, dauert bei den Wertpapieren fort. Als
Formen der öffentlichen Beurkundung sind die gerichtliche und die notarielle Beurkundung
ausgebildet. Manche Geschäfte bedürfen auch heute des früher in viel weiterem Umfange
erforderlichen Abschlusses vor dem Gericht oder einer anderen Behörde, einzelne einer gericht-
lichen oder behördlichen Bestätigung.
Zu hervorragender Bedeutung für das geltende Privatrecht endlich ist als jüngster Sproß
des germanischen Publizitätsprinzips die Eintragung in öffentliche Bücher empor-
gestiegen. Schon im Mittelalter entwickelten sich aus den Gerichtsbüchern die Grundbücher
(am frühesten in den Städten, wie schon im 12. Jahrhundert die Schreinsbücher der Kölner
Parochien, anderswo Rats- oder Stadtbücher, mitunter getrennte Verlaß- und Pfand= oder
Rentenbücher) und gewannen neben der Beweiskraft des Gerichtszeugnisses für die in ihnen
bekundeten gerichtlichen Vorgänge mehr und mehr formale Bedeutung für die Geschäfte des
Liegenschaftsrechts. Auch empfingen körperschaftliche Mitgliederverzeichnisse (Matrikeln, Rollen)
mit ihren Vermerken über Rechtsverhältnisse der Genossen rechtliche Wirksamkeit. Dazu sind
im Laufe der Zeit mancherlei andere öffentliche Bücher für Beurkundung von Privatrechts-
verhältnissen mit stärkerer oder schwächerer formaler Kraft getreten (z. B. Vereins- und Ge-
nossenschaftsregister, Personenstandsregister, eheliche Güterrechtsregister, Handelsregister, Schiffs-
register, Zeichenregister, Patentrolle, Musterrolle, Höferolle usw.).
§* 14. Unmittelbare Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch Rechtssatz. Rechte (nebst
Pflichten), die das objektive Recht ohne Vermittlung einer Handlung zuteilt, können als all-