Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

204 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
1862/82. — O. Gierke, Die kerssicche Persönlicheit des hochadligen Hauses, Zeitschr. f. d. Priv. 
u. öff. R. der Gegenw. V 557 ff. Rehm, Die juristische Persönlichkeit der standesherrlichen 
amilie, 1911. — Pütter, Über Mißheirahen teutscher Fürsten und Grasen 1796. öpfl, 
ber Mißheiraten in den regierenden deutschen Fürstenhäusern 1853. Bornhak, Arch. f. öff. R. 
V 385 ff. Laband, Die Thronfolge im Fürstentum Lippe, 1891. Kahl, Ebenbürtigkeit und 
Thronfolgerecht der Grafen zur Lippe-Biesterfeld, 1896. E. Loening, über Heilung notorischer 
Mißheiraten, 1899. F. Ha pmn ann, Das bbenbürrtigkeitsprinzip in den Familien des 
deutschen Hochadels, Arch. f. 7 ..n XVIT 529 ff. Hübner # 13. v. Schwerin löff. 
§ 24. Die übrigen Geburtsstände 
I. Niederer Adel. Der niedere Adel, der aus der Verschmelzung freier und un- 
freier Elemente zur Ritterschaft hervorgegangen ist, umfaßt alle in einem deutschen Staate 
als adlig anerkannten Personen, die nicht zum hohen Adel gehören. Ein äußeres Kennzeichen 
bilden die Adelsprädikate und adligen Wappen. Neben den höheren Adelstiteln ist auch das 
einfache „von“, obschon es einerseits dem adligen Namen fehlen kann und andererseits bei 
bürgerlichen Namen vorkommt, heute bei adligen Personen, die es führen, ein Adelszeichen. 
Erwerb und Verlust des Adels richten sich nach Landesrecht. Der Adel wird 
erworben durch eheliche Abstammung von einem adligen Vater, der hier die Legitimation durch 
nachfolgende Ehe gleichsteht, durch Verheiratung einer Frau mit einem adligen Manne und durch 
landesherrliche Verleihung, die nach preußischem Recht auch die schon geborenen Kinder er- 
greift. Das Ebenbürtigkeitsprinzip ist schon seit Jahrhunderten dem niederen Adel verloren 
gegangen („Ritters Weib hat Ritters Recht“). Das uneheliche Kind der adligen Mutter ist 
nicht adlig. Annahme an Kindes Statt begründet den Adel nicht. Verloren wird der Adel durch 
Verheiratung einer Adligen mit einem Nichtadligen und durch (meist formbedürftigen) Ver- 
zicht. Bloßer Nichtgebrauch ist kein Verzicht; doch ist zur Wiederaufnahme landesherrliche An- 
erkennung (bei Verdunkelung Erneuerung) erforderlich. Annahme an Kindes Statt durch einen 
Nichtadligen hebt den Adel nicht auf. Die früheren Verlustgründe der Aberkennung durch 
Strafurteil und der Verwirkung durch Betrieb eines bürgerlichen Gewerbes sind weggefallen. — 
Neben dem Erbadel gibt es partikularrechtlich einen persönlichen Adel, der auf die Kinder nicht 
übergeht (die Frau teilt ihn in Bayern, dagegen in Württemberg nicht). 
Qualifizierter Adel ist einerseits der auf Unvordenklichkeit beruhende „Uradel“ 
gegenüber dem auf nachweisbare Verleihung zurückgehenden „Briefadel“, andererseits der seit 
mehreren Geschlechtern bei väterlichen und mütterlichen Vorfahren vorhandene „alte Adel“ 
(„Ahnenadel") gegenüber dem „neuen Adel“. Der alte Adel, dessen Beweis durch die „Ahnen- 
probe" erfolgt, wird nach der Zahl der adligen Stammeltern oberster Reihe (2, 4, 8, 16 usw.) 
berechnet; im Zweifel genügen vier Ahnen. Die Mitverleihung „gemalter“ Ahnen kann in 
Rechte Dritter nicht eingreifen. 
Der niedere Adel ist heute im wesentlichen nur noch ein staatlich anerkannter sozialer 
Vorzug, dessen juristischer Ausdruck das Recht auf die Führung von Adelszeichen und 
adligen Wappen ist. Wer nach dem B#B einen adligen Familiennamen erwirbt, ohne nach 
Landesrecht den Adel zu erlangen, darf das Adelsprädikat nicht gebrauchen. Stücke eines be- 
sonderen Privatrechts hat nur im Umfange der ihm verbliebenen Autonomie der ehemalige 
niedere Reichsadel (Reichsritterschaft) und ihm gleichgestellter landsässiger Adel bewahrt. Die 
sonst dem Adel noch gewährten rechtlichen Vorzüge greifen nur selten (wie der bayrische Rechts- 
satz, daß Familiensideikommisse nur zugunsten adliger Familien errichtet werden können) in 
das Privatrecht ein. Die privatrechtliche Bedeutung des Adels besteht heute vor allem darin, 
daß durch Satzung oder Rechtsgeschäft Adel oder besonders qualifizierter Adel zur Bedinauna 
eines Rechtserwerbes gemacht werden kann und oft gemacht ist. 
II. Bürgerstand. Der Bürgerstand, der ursprünglich die Stadtbürger umfaßte 
und dem Landrecht gegenüber ein besonderes Stadtrecht ausbildete, sprengte zuerst die Standes- 
schranken und wurde Träger des gemeinen Rechts. Das Vorrecht der „bürgerlichen Nahrung“ 
verlor er. So wurde er ein negativer Begriff; er begreift schon nach dem Preuß. LR. alle 
Personen in sich, die weder zum Adel noch zum Bauemstande gehören. Das Preuß. LR. und 
andere Partikularrechte teilten ihn in den höheren und niederen Bürgerstand und knüpften 
an diese Unterscheidung einzelne Rechtsfolgen. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.