Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 207 
(kraft des Judenregals und später des landesherrlichen Judenschutzes) erlangten, wurden sie im 
Laufe des 19. Jahrhunderts zu Vollgenossen in Staat und Gemeinde. Die ursprünglich zugleich 
bürgerlichen Judengemeinden sind zu rein religiösen Körperschaften geworden. Das jüdische 
Recht, das im Mittelalter von den jüdischen Gerichten bei Streitigkeiten der Juden unterein- 
ander angewandt wurde und nach ihrer Unterwerfung unter die ordentlichen Gerichte für 
einzelne Verhältnisse (zuletzt im Eherecht) fortgalt, hat alle privatrechtliche Bedeutung einge- 
büßt. Die eine Ausnahme vom gemeinen Recht begründenden Vorrechte und die zahlreichen 
Zurücksetzungen der Juden sind beseitigt. 
Literatur: Stobbe, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters, 1866. A. Kohut, 
Geschichte der deutschen Juden, 1898. Gierke, D. P.R. 1 554—55. Hübner ' 12. 
§ 28. Einfluß der Staats= und Gebietsangehörigkeit. Ursprünglich war der Fremde 
(„Elende'") an sich rechtlos. Er erlangte jedoch eine beschränkte Rechtsfähigkeit, wenn er sich 
in die Schutzherrschaft eines Einheimischen begab. Verallgemeinert wurde der Rechtsschutz 
der Fremden durch den schon in fränkischer Zeit ihnen subsidiär gewährten Königsschutz, der 
später zum Fremdenregal wurde. Eine Erweiterung brachte das städtische Gastrecht. Mit 
der Ausbildung des internationalen Privatrechts drang die grundsätzliche Gleichstellung 
Fremder und Einheimischer im Privatrecht durch (Preuß. Ll. Einl. § 41 
bis 42, Osterr. GB. 8 20, anders noch Code eiv. a. 11 u. 13). Doch blieben Ausnahmen an- 
erkannt. Auch sie wurden mehr und mehr vermindert. Eine weitergehende Zurücksetzung der 
Fremden kann durch Anwendung des Vergeltungsrechtes eintreten (EG. a. 31 zum BGB.). 
Als Fremder darf aber in Deutschland immer nur der Reichsfremde behandelt werden („Reichs- 
indigenat“ nach RVll. a. 3); die besondere Staatsangehörigkeit bedingt nur die staatsbürger- 
lichen Rechte im Einzelstaat, die Gemeindeangehörigkeit nur noch die Teilnahme am Ge- 
meinderecht. 
Von den einzelnen Beschränkungen der Fremden wurden das Strandrecht 
und das Fremdlingsrecht (jus albinagü oder droit caubaine, Recht des Landesherrn auf die 
Verlassenschaft des im Lande versterbenden Fremden) schon in der Konstitution Kaiser Fried- 
richs II. von 1220 (c. 8—-9) abgeschafft, aber erst allmählich (das droit d’aubaine in Frankreich 
erst 1819) wirklich beseitigt. Länger erhielt sich das „Abzugsrecht“ (jus detractus), das dem 
Landes- oder Gerichtsherrn einen Teil (meist ein Zehntel) des aus dem Lande gehenden Ver- 
mögens in der doppelten Form des „Abschosses“ (gabella herechtaria) von einer Erbschaft und 
der „Nachsteuer“ (gabella emigrationis) vom Vermögen des Auswandernden zusprach. Die 
Deutsche BA. a. 17 nebst BB. vom 23. Juni 1817 hob alle Abzugsrechte innerhalb des Bundes- 
gebietes auf. Seither wurde der Abzug auch dem Auslande gegenüber ausgeschlossen (Preuß. 
Vl. a. 11) und könnte nur kraft Vergeltungsrechtes noch vorkommen. Sehr verbreitet waren 
Beschränkungen der Fremden hinsichtlich des Erwerbes von Grundeigentum; sie sind meist 
weggefallen, bleiben aber landesrechtlich zulässig (EG. a. 88; vgl. Hamb. AG. g 28). Das Landes- 
recht kann auch für die Eheschließung von Fremden besondere Nachweise fordern. Reichsrecht- 
liche Zurücksetzungen der Fremden finden sich hinsichtlich des Schutzes mancher Persönlichkeits- 
rechte und hinsichtlich des Gewerbebetriebes im Umherziehen. 
Die Staatsangehörigkeit behält jedoch insoweit hohe Bedeutung für das 
Privatrecht, als sie in Verhältnissen, die sich nach dem Heimatsrecht richten (oben § 11 Z. 2), 
eine Rechtsverschiedenheit begründet. 
Daneben ist die Verknüpfung mit einem Rechtsgebiete durch den Wohnsitz (Domizi.) 
für die privatrechtliche Stellung vielfach erheblich, daher auch Erwerb und Verlust des Wohn- 
sitzes durch das Privatrecht geordnet (BGB. J 7—11. 
Literatur: Gierke, D. P.R. 1 356—57. Hübner 11. Rudorff, Zur Rechts- 
stellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozeß (Unters. H. 88), 1907. v. Moeller, 
Die Elendenbrüderschaften, 1906. v. Frisch, Das Fremdenrecht, 1910.
	        
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