Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 213 
Nutzungsanteil an der gemeinen Mark zur wirtschaftlichen Einheit ergänzt. Das Nutzunge- 
recht an der Allmende war ursprünglich nur durch das eigene Bedürfnis begrenzt und schloß 
sogar das Recht zur Aneignung von Bodenbestandteilen durch Rodung oder Abhegung ein. 
Mehr und mehr aber wurde es an genossenschaftliche Ordnung gebunden und oft auf ein 
festes Maß eingeschränkt. — Als Markgemeinde wurde auch die seit der Ausbildung der Grund- 
herrschaft entstandene, einem Fronhofe zugehörige grundherrliche Gemeinde eingerichtet; Mark- 
gemeinden blieben daher auch die einst freien Gemeinden unter der sie mehr und mehr überwälti- 
genden Grundherrschaft. Allein durch das den Boden ergreifende Herrenrecht wurde das Recht 
der Gesamtheiten wie der Einzelnen an der Gemeindemark zu einem abgeleiteten und viel- 
fach abhängigen Besitzrecht abgeschwächt. 
Eine Umbildung der Gemeindeverhältnisse trat schon im Mittelalter in den Städten 
ein. Die Stadt wurde zur rein öffentlichen Körperschaft, die Allmende wurde städtisches Eigen- 
tum, das Sondereigentum der Bürger wurde frei. Doch erhielten sich vielfach Nutzungsrechte 
der Bürger an der Stadtmark. Auf dem Lande dagegen bestand nicht nur die alte Mark- 
gemeinde fort, sondern es erfolgte meist ihre Umbildung im Sinne des Ubergewichts ihrer 
privatrechtlichen Seite. Der Kreis der vollberechtigten Genossen wurde abgeschlossen, indem 
das Vollgenossenrecht an die Zugehörigkeit zu einem bevorrechteten Personenkreise (Dorf- 
patriziat) oder an die altberechtigten Höfe oder an den Besitz einer vollen Hufe oder an den 
für sich vererblich und veräußerlich gewordenen Allmendanteil gebunden wurde; Abstufungen 
im Stimmrecht und Nutzungsrecht wurden eingeführt; die Zahl der bloßen Schutzgenossen 
(Beisassen, Hintersassen, Köter usw.) mehrte sich. Da aber auch die von der Markgemeinde 
Ausgeschlossenen besonders seit der Reformation an den neuen Gemeindeeinrichtungen (nament- 
lich im Armenwesen) beteiligt wurden, entstand der Begriff einer engeren und einer weiteren 
Gemeinde. 
In neuerer Zeit erfolgte überall die Auseinandersetzung zwischen dem öffentlich- 
rechtlichen und dem privatrechtlichen Gemeindeverbande. Als Fortsetzung des örtlichen Ge- 
meinwesens wurde (meist von oben her) auch auf dem Lande eine rein politische Gemeinde 
begründet. Die wirtschaftliche Seite der alten Markgemeinde hatte sehr verschiedene Schick- 
sale. Zum Teil ging das Eigentum an den gemeinen Marken (besonders den großen Wal- 
dungen) auf die Landesherren über, während den Märkern höchstens Servituten verblieben. 
Zum Teil erlangten besondere, von der Gemeinde abgezweigte Genossenschaften (Agrargenossen- 
schaften) das Eigentum an der Allmende oder einem Teil. Im übrigen wurde die Allmende 
Eigentum der politischen Gemeinde, blieb aber mit Nutzungsrechten der einzelnen beleastet. 
Endlich erstrebte seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine tief eingreifende staatliche 
Agrargesetzgebung überhaupt die völlige Auflösung der Reste der Markgemeinde. Unter 
der Leitung besonderer Auseinandersetzungsbehörden und mit Anwendung von Enteignungs- 
zwang erfolgten „Gemeinheitsteilungen"“. Die Allmenden wurden nach sehr verschiedenen, 
oft sehr willkürlichen Maßstäben (bald nach Nutzungsanteilen, bald nach Köpfen) zu Sonder- 
eigentum aufgeteilt. Die Gemengelage mit dem Flurzwange wurde durch Verkoppelung 
oder Zusammenlegung der Ländereien (Zwangstausch) beseitigt. Die genossenschaftlichen 
Nutzungsrechte wurden abgelöst. Doch sind die Allmenden nicht überall verschwunden und 
spielen namentlich in Süddeutschland und der Schweiz noch eine erhebliche Rolle. Neuer- 
dings trat überhaupt eine den Allmenden günstige Gegenströmung ein. Die Teilung wurde 
wieder erschwert und namentlich hinsichtlich der gemeinen Waldungen ausgeschlossen. 
II. Gemeindevermögen. Neben dem für die Zwecke der Gemeinde als solcher 
bestimmten eigentlichen Gemeindevermögen (in den Städten auch „Kämmereivermögen“, auf 
dem Lande „Ortsvermögen“ genannt) gibt es so auch heute vielfach ein für die wirtschaftlichen 
Bedürfnisse der einzelnen bestimmtes Gemeindevermögen, das in den Städten als „Bürger- 
vermögen“, auf dem Lande als „Nutzungsgut“, „Genossengut", „Allmendgut“ oder „Gemeinde- 
gliedervermögen“ (Preuß. LGO. v. 1891 §5 68) bezeichnet wird. Es umfaßt die Reste der 
Almende, kann aber auch neu geschaffen werden. Hieran bestehen Nutzungsrechte für Ge- 
meindeglieder mit verschiedenem Inhalt: bald reihenweise oder durch das Los, lebenslänglich 
oder auf Zeit, unentgeltlich oder gegen geringen Zins gewährte Sondernutzungsrechte an 
Teilstücken (Allmendäckern,--gärten oder wiesen), bald gemeinsame Nutzungsrechte (Viehweide,
	        
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