216 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
der Korporation als zweite Hauptart der juristischen Person gegenübergestellt und namentlich
aus Anlaß des Staedelschen Beerbungsfalles eingehend untersucht wurde, drang mehr und
mehr die Meinung durch, daß sie ein personifiziertes Vermögen sei. Doch fehlte es nie an
Widerspruch. In Wahrheit ist das Vermögen auch hier nur Objekt. Subjekt ist ein als einheit-
licher Willensträger organisierter menschlicher Verband, der sich in einer Veranstaltung darstellt,
kraft deren der Wille des Stifters fortdauernd einen Inbegriff von Menschen beherrscht und einem
bestimmten Zwecke dienstbar macht.
Zur Begründung der Stiftung gehört ein sozialer Schöpfungsakt des Stifters, der
die Anstalt ins Leben ruft oder doch hierzu den entscheidenden Anstoß gibt. Damit aber ver-
bindet sich untrennbar die rechtsgeschäftliche Widmung eines Vermögens. Die Stiftung kann
durch schriftliche Erklärung unter Lebenden oder durch Verfügung von Todes wegen erfolgen.
Außerdem bedarf es zur Entstehung der Stiftung, wie dies im Gegensatz zur gemeinrechtlichen
Stiftungsfreiheit schon bisher die meisten Partikularrechte bestimmten, der staatlichen Genehmi-
gung. Mit ihrer Entstehung erwirbt die Stiftung ohne weiteres die ihr zugewandten Rechte,
soweit sie durch bloßen Abtretungsvertrag übertragbar sind, und im übrigen einen Anspruch
auf Ubertragung gegen den Stifter oder dessen Erben. Nach altem Gewohnheitsrecht, das im
BGB. bestätigt ist, kann die Stiftung rechtswirksam zur Erbin eingesetzt oder sonst bedacht
werden, wenn sie auch erst nach dem Tode des Zuwendenden Persönlichkeit erlangt (Analogie
des nasciturus).
Das Leben der Stiftung wird durch ihre Verfassung nach Maßgabe der vom Stifter
gegebenen oder seinem Willen gemäß aufgestellten Satzung bestimmt. Die Stiftung handelt
durch ihre Organe (einen Vorstand und etwaige sonstige satzungsmäßige Organe). Die Organe
haben den Willen des Stifters tunlichst auszuführen. Auch hierauf richtet sich die Aufsicht.
Die Stiftung hat keine Mitglieder; die zum Stiftungsgenuß berufenen Personen haben regel-
mäßig nur einen verwaltungsrechtlich geschützten Anspruch auf Beobachtung der Satzung,
können aber auch mit einem privatrechtlichen Anspruch ausgerüstet werden (z. B. bei Familien-
stiftungen). Eine Abänderung der Stiftung durch Umwandlung des Zwecks oder sonstige
Satzungsänderung kann im Verwaltungswege erfolgen, wenn die Erfüllung des Stiftungs-
zwecks unmöglich geworden ist oder die Stiftung das Gemeinwohl gefährdet. Dabei soll jedoch
möglichst im Sinne des Stifters verfahren werden.
Beendigt wird die Stiftung durch Aufhebung, die unter gleichen Voraussetzungen
wie die Umwandlung zulässig ist, und durch satzungsmäßige Erlöschungsgründe. Der Stiftungs-
nachlaß fällt an die in der Satzung bestimmte Person, sonst nach Landesrecht an den Staat
oder die Gemeinde, die ihn aber möglichst für gleiche oder ähnliche Zwecke verwenden sollen.
Literatur: Mühlenbruch, Rechtliche Beurteilung des Städelschen Beerbungsfalles,
1828; in Glücks Komm. XXXIX 442 ff., XIL 1 ff. Roth, Jahrb. f. Dogm. 1 189 ff. Deme-
lius, ebenda IV 139 ff. Schloßmann, ebenda XXVII 1ff. Regelsberger, Z3. f.
Kirchenr. XI 191 ff. Kohler, Arch. f. bürg. R. III 228 ff. W. Stintzing, Das Stiftungs-
geschäft des BGB. 1898. v. Tuhr, Der Allg. T. des deut. bürg. R. f41. Gierke, D. P.R. 1
# 78. v. Schwerin 24.
Kapitel III. Personenrechtliche Gemeinschaften.
§ 34. Gemeinschaften zur gesamten Hand. Das deutsche Recht hat seit alter Zeit eine
genossenschaftliche Form der personenrechtlichen Gemeinschaft loben § 12) entwickelt, bei
welcher die Teilhaber (Gemeiner, Ganerben, Gesellen) in ihrer genossenschaftlichen Verbunden-
heit (als Gemeinderschaft, Ganerbschaft, Gesellschaft) Subjekte eines Gesamtbereiches sind.
Für ein derartiges Gemeinschaftsverhältnis ist der Name „gesamte Hand“ (conjuncta manus)
üblich geblieben, der von dem Rechtsbrauche stammt, die Verbundenheit der Personen durch
das Sinnbild der bei Erwerbs-, Verfügungs= oder Verpflichtungshandlungen verschlungenen
Hände zu veranschaulichen. Die gesamte Hand ist mit der Erhebung eines Teilhabers zum Ge-
meinschaftshaupte vereinbar, insofern die oberste Stelle grundsätzlich der Gemeinschaft gewahrt
bleibt. Die älteste Gemeinschaft zur gesamten Hand war die fortgesetzte Hausgemeinschaft unter
Miterben. Von hier aus drang die gesamte Hand in die herrschaftliche Hausgemeinschaft ein
und wurde vielfach für die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau und auch zwischen dem