222 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
„Höfe“ und „Anerbengüter“) besondere Eigenschaften an. Teils auf natürlicher Beschaffen-
heit, teils auf rechtlicher Bestimmung beruht die Besonderheit der öffentlichen Sachen. Sie
stehen nach deutscher Auffassung im Eigentum (regelmäßig, wie schiffbare Ströme, Landstraßen,
Meeresufer und Häfen, des Königs oder Landesherrn, vielfach aber auch der Gemeinde oder
einer Privatperson), das Privatrecht an ihnen wird aber durch die öffentlichrechtliche Be-
stimmung für den Gemeingebrauch zurückgedrängt. Doch wurde der Gemeingebrauch mehr
und mehr durch die Ausbildung von Regalien eingeengt, die dem Staate gewisse Nutzungen
vorbehielten. Auch die für den kirchlichen Gemeingebrauch bestimmten Sachen sind nach der
in das kanonische Recht übergegangenen deutschen Auffassung Gegenstand eines nur durch die
Zweckbestimmung gebundenen Eigentums; so namentlich Kirchengebäude und Kirchhöfe, an
denen auch eigentümliche Privatrechte (Kirchstuhlsrecht, Erbbegräbnisrechte) vorkommen.
III. Besondere Arten von Fahrnis. Das deutsche Recht unterschied viel-
fach die Tiere („getriebenes“ oder „essendes Gut“) und die leblosen Sachen („getragenes Gut“,
„Kisten- oder Schreinsgut"). Besondere Rechtssätze deutscher Herkunft gelten für die unpfänd-
baren Sachen. Eine wichtige Sachart ist das Geld; die für das Geld ausgebildeten besonderen
sachenrechtlichen Sätze finden auch auf die Geldzeichen Anwendung. Bewegliche Sachen sind
auch die Urkunden; an ihnen aber wird das Sachenrecht vielfach um des verbrieften Rechtes
willen abgewandelt, ja nach dem BGB. (§5 952) folgt das Eigentum und sonstige dingliche
Recht an ihnen unbedingt dem verbrieften Recht. Das umgekehrte Verhältnis aber besteht bei
den Wertpapieren (unten § 41).
Literatur: Gierke, D.P.R. II z5 101—102, 107. Hübner #§ 25—26. Biermann,
Die öffentlichen Sachen, 1905.
§* 40. Die Sachverbände. Das deutsche Recht kennt objektiv wirksame Sachverbindungen.
I. Uberhaupt. Sachen sind zunächst die Sachindividuen,, wie sie durch die
Natur (z. B. Tiere), menschliche Herstellung (z. B. Geräte), künstliche Grenzziehung (z. B.
Grundstücke) oder Verkehrsanschauung (z. B. Mengesachen) bestimmt werden. Ein Sach-
individuum kann mannigfach zusammengesetzt sein, seine Bestandteile sind aber immer nur
Sachteile, nicht Sachen. Doch ließ das deutsche Recht besondere Rechte an Sachteilen zu. So
beim Stockwerkseigentum (Geschoßeigentum) gesondertes Eigentum an einzelnen Geschossen
oder Gelassen eines Bauwerks; so besonderes Eigentum an Gebäuden oder anderen fest mit
dem Boden verbundenen Werken; so besonderes Eigentum oder doch dingliches Aneignungs-
recht an stehenden Bäumen und ungetrennten Früchten. Auch nach dem BG#. sind besondere
Rechte an unwesentlichen Sachteilen (daher z. B. an Flächenabschnitten eines Grundstücks)
möglich. Nicht dagegen an wesentlichen Bestandteilen (Stockwerkseigentum kann nach EG.
a. 182 fortbestehen, aber nicht neu entstehen). Doch gelten Gebäude und zum Teil auch
Pflanzen unter Umständen nicht als Grundstücksbestandteile, sondern als selbständige Sachen
(BG. F 95).
Sachindividuen können aber miteinander zu neuen Sachganzen verbunden sein,
die als solche selbständige Rechtsobjekte sind und den Gegenstand von einheitlichem Sachen-
recht bilden, während zugleich die Bestandteile Sachen für sich und daher aller Rechtsschicksale
von Sachindividuen fähig bleiben. Es gibt zwei Formen der Sachverbände.
II. Hauptsache und Zubehör. Mehrere Sachen können zu einem Sachganzen
verbunden sein, für das eine von ihnen als Hauptsache den herrschenden Bestandteil bildet,
während die anderen als Zubehörstücke für den Dienst der Hauptsache bestimmt sind. Das
deutsche Recht, dem das BGB. in den Hauptpunkten folgt, knüpft an solche Zusammen-
gehörigkeit nicht nur subjektive Wirkungen im Sinne der Willensauslegung, sondern objektive
Wirkungen in dem Sinne, daß die Zubehörsachen von Rechts wegen den sachenrechtlichen
Schicksalen der Hauptsache folgen. Immer aber bleiben sie Sachen für sich mit besonderen
Eigenschaften und können daher stets besonderen Rechtsschicksalen unterworfen werden. Die
Begründung und Aufhebung solcher Sachverbindung vollzieht sich durch Rechtshandlungen,
jedoch nur, insofern ein nach der Verkehrsanschauung geeigneter Tatbestand verwirklicht wird.
Im älteren deutschen Recht bestanden vor allem mannigfaltig abgestufte Zugehörigkeitsverhält-
nisse der Grundstücke zueinander. Sie sind weggefallen. Dagegen hat sich die Behandlung