J. Kohler, Rechtsphilosophie und Universalrechtsgeschichte. 19
geschichte das Material erlangt, ohne welches ein Verständnis der Menschheitsgeschichte nicht
möglich ist.
Auf Grund dieses Materiales baut sich die Rechtsgeschichte der einzelnen Völker und
mit ihrer Hilfe die Universalrechtsgeschichte auft. Man hat die Universalrechtsgeschichte für
unmöglich erklärt, weil in jeder Geschichte Zufälligkeiten herrschen, welche der Einzelgeschichte
ein individuelles Gepräge geben. Das ist richtig, aber neben den Zufälligkeiten gilt die
Gemeinschaftlichkeit der psychologischen und soziologischen Motive und die metaphysische Ein-
heit der Weltentwicklung. Man könnte ebensogut jede Geschichte leugnen, weil auch diese
von den Zufälligkeiten der Einzelindividuen beeinflußt ist, oder die Pflanzengeographie, weil
auch bei dieser eine Menge Zufälligkeiten bedeutsam sind. Vgl. Archiv f. Rechtsphil. III
S. 321 und Windelband, Präludien II S. 145 f. Über Rechtsgeschichtsphilosophie
vgl. auch Sternbergs Einführung in die Rechtswissenschaft.
§ 12. Hilfswissenschaften.
Hilfswissenschaften der vergleichenden Rechtswissenschaft sind die Sprach-
wissenschaft, die Kulturgeschichte, sodann die Psychologie und nament-
lich die Völkerpsychologie.
Die Sprachwissenschaft tritt hier nach zwei Beziehungen hervor; einmal gibt
sie uns die Möglichkeit, die Urkunden der früheren Rechte zu lesen, und was sie in dieser Be-
ziehung geleistet hat seit Erkenntnis des Sanskrit und seit Ermittlung des Assyro-babylonischen
und Altägyptischen ist ganz außerordentlich.
Sodann hat man aber noch folgenden Gewinn aus der Sprachwissenschaft zu erzielen
versucht: die Worte haben eine Entwicklung, und die Entwicklung gibt uns zugleich ein Bild
der Entwicklung des Geistes; die Worte gehen vom Konkreten aus und greifen auf das Abstrakte
über; die Geschichte des Wortes zeigt uns das allmähliche Aufkeimen des abstrakten Denkens,
Der vergleichenden Rechtswissenschaft ist die Zeitschrift für vergleichende Rechtswissen-
schaft gewidmet; sie steht jetzt im 29. Bande (im 20. Band ein ausführliches *
Reiche Literaturangaben finden sich bei Meili, Institutionen der vergleichenden
wissenschaft (1898). Anfänge der Rechtsvergleichung finden sich schon früher, uhbuch bei
Aristoteles, schon bei Hugo Grotius und seinem Gegner Selden, im
19. Jahrh. bei G ans; aber der Einfluß von Gans war unfruchtbar, und es ist deswe en
völlig verkehrt, ihn als Begründer der vgl. Rechtswissenschaft hinzustellen. Als der erste
gründer dieser Wissenschaft hat Bachofen zu gelten (Mutterrecht 1861, Tanaquil 1870, Ani-
quarische Briefe 1880—1886): durch seine Entdeckung des Mutterrechts it eine fruchtbare Idee
in die Welt gebracht worden, welche zuerst die Brücke vom Rechte der Kulturvölker zu dem der
Naturvöller schlug und dadurch sowohl die vergleichende Rechtswissenschaft ermöglichte, als ihr in
bezug auf das Familienrecht die Bahnen wies. Sodann vor allem Morgan, Systems of con-
sanguinity and affinity, und Wilken (dessen Schriften sich hauptsächlich auf die Malaien be-
ziehen). Einer der eifrigsten Fortbildner (wenn auch nicht immer mit der richtigen Methode) war
Po st (Bausteine 1881, Grundlagen des Rechts 1884, Studien zur Entwicklungsgeschichte des
Familienrechts 1889, Ethnologische Jurisprudenz 1894 u. (a.). Bedeutungsvoll sind auch Dargun
(Mutter- und Baterrecht 1892) und Dareste (Etudes N’histoire de droit 1889). Außerdem
gehören Schriften von Laveleye und Kowalewski in dieses Bereich. Bedeutendes
liefert Steinmetz (Ethnologische Studien zur ersten Entwicklung der Strafe, 1894, und in
anderen Schriften). Von meinen Schriften erwähne ich: Shakespeare vor dem Forum der Juris-
prudenz (Würzburg 1884). Rechtsvergleichende Studien (Berlin 1889). Recht als Kultur-
erscheinung (Würzburg 1885). Wesen der Strafe (Würzburg 1888). Recht als Lebenselement
der Bölker (Würzburg 1887). Zur Lehre von der Blutrache (Würzburg 1885). Moderne Rechts-
fragen bei islamitischen Juristen rzhurg 180). Kommenda im islamitischen Rechte (Würzburg
1885). Recht der Azteken (aus Z. f. vgl 1892). Das chinesische Strafrecht (Würzburg 1886).
Abtindisches Prozeßrecht (Stuttgart 1891). Recht, Glaube und Sitte (in Grünhuts 9o0r r. f. d.
Priv. öffentl. R. der Gegenw. XIX). Die Ideale im Recht (aus drch f. bür . I in 1891)0.
Negerrecht (aus Z. f. vgl. R., 1897). Urgeschichte der Ehe (aus Z. f. vgl. Mth Ursprung
der Melusinensage (Leipzig 1895). Heundbegeisse einer Entwicklungsgeschichte der Menschheit in
Llmols Weltgeschichte I (1899). Bergleichende Rechtewissenschaft in Deutsche Universitäten.
er: Recht fin der Sammlung: Gesellschaft). Aufsätze in der Zeitschrift für vergleichende
* tswissenschaft, im Gerichtssaal, in Z. f. die gesamte Stwafrechtswiss., Z. f. Handelsrecht,
f. bürgerl. Recht, Ausland, Zeitschr. für Sozialwissenschaft, in den Beiträgen zur Assyriologie,
. Jurist. Literaturblatt, in der Politisch-anthropol. Revue.
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