2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 231
erlaubter Handlung oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (den Bereicherungsanspruch
auch gegen den Erwerber, falls dieser unentgeltlich erworben hat). Endlich findet, während
der Bucheintrag das in ihm erscheinende Recht regelmäßig gegen Ersitzung und Verjährung
schützt, auf Grund einer unrichtigen Eintragung in Verbindung mit dreißigjährigem Besitz eine
Buchersitzung, auf Grund einer unrichtigen Löschung oder Nichteintragung eine Buch-
versitzung statt.
Als Sicherungsmittel gegen die Gefahren, die das formale Buchrecht für das
materielle Recht birgt, dient die Eintragung von Schutzvermerken. Das BGB. kennt die
„Vormerkung“, die einem persönlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung dingliche Wirk-
samkeit verleiht, und den „Widerspruch“, der zugunsten eines durch Unrichtigkeit des Grund-
buches gefährdeten dinglichen Rechts den öffentlichen Glauben des Buches außer Wirksam-
keit setzt, auch die Buchersitzung hemmt, die Buchversitzung hindert.
Wer durch unrichtigen buchmäßigen Schein in seinem Recht bedroht ist, hat einen un-
verjährbaren dinglichen Berichtigungsanspruch gegen alle Beteiligten. Die Be-
richtigung wirkt zurück, kann aber natürlich die inzwischen auf Grund des öffentlichen Glaubens
des Buches eingetretenen Rechtsänderungen nicht wegschaffen. Zu unterscheiden von Un-
richtigkeiten des Buches sind einerseits nichtige Einträge, die überhaupt wirkungslos sind und
von Amts wegen gelöscht werden können, andererseits unbegründete, aber richtige Einträge,
die nur einen persönlichen Anspruch auf Beseitigung mit Wirkung ex nunc erzeugen.
Kapitel III. Das Liegenschaftsrecht.
Abschnitt I. Das Eigentum.
§ 46. Geschichte und Wesen des deutschen Grundeigentums. Dem deutschen Recht
war von je der Begriff des Eigentums als des materiellen Herrschaftsrechts über eine Sache
bekannt: eine Sache ist jemandes „eigen“, sie ist „res sua“, er ist ihr „Herr“. Doch wurde
der Begriff nicht abstrakt, sondern konkret als Inbegriff der an der Sache möglichen Macht-
befugnisse gefaßt. In vorgeschichtlicher Zeit nur auf Fahrnis angewandt, wurde seit der
festen Ansiedlung der Eigentumsbegriff auch auf Grund und Boden erstreckt. Allein das
Grundeigentum blieb seinem inneren Wesen nach vom Fahrniseigentum verschieden. Es
fehlte sogar ein gemeinsamer Gattungsname („eigen“ und „#erbe“ hieß nur das Grundeigen-
tum). Mit dem römischen Recht drang dessen abstrakter, vom Gegenstande unabhängiger
Eigentumsbegriff ein; seine Anwendung auf das Grundeigentum leistete wesentliche Dienste
bei der Umgestaltung aller wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Allein nur allmählich
und niemals vollständig drang die Gleichstellung durch; bis heute trennt eine tiefe Kluft das
Grundeigentum vom Fahrniseigentum.
Die deutsche Grundeigentumsordnung beruhte auf der Verwirklichung der Boden-
herrschaft in den beiden einander ergänzenden und durchdringenden Formen des (genossen-
schaftlichen oder herrschaftlichen) Gemeinschaftseigentums und des Sonder-
eigentums. Unter dem Einflusse des römischen Rechts wurde das Grundeigentum (auch
das des Staates und der andern öffentlichen Verbände) grundsätzlich zu Individualrecht. Aber
es erhielten sich und es bildeten sich neu deutschrechtliche Formen des Gemeinschaftseigentums,
die das Eigentum sozialrechtlich umbilden (§ 48).
Das deutsche Grundeigentum schloß gleichzeitig private und öffentliche Sach-
herrschaft (Grundvermögen und Grundherrschaft) ein. In wachsendem Maße nahm es
öffentliche Rechte und Pflichten auf, die hierdurch „patrimonial“ wurden, zugleich aber die
Entwicklung des Grundeigentums zu reinem Privatrecht hinderten. In neuerer Zeit wurde
die öffentlichrechtliche Bodenherrschaft als Gebietshoheit vom Eigentum gesondert. Das
Eigentum wurde Privatrecht. Doch blieben zunächst zahlreiche publizistische Befugnisse als
Patrimonialrechte mit dem Grundeigentum verknüpft; erst die neueste Zeit beseitigte sie bis
auf einzelne Trümmer. Andererseits blieb das Grundeigentum in höherem Maße als das Fahrnis-
eigentum öffentlichrechtlich beschränkt. Die ältere Theorie schrieb sogar dem Staate ein
„dominium eminens“ am Boden zu. Heute darf die öffentliche Sachherrschaft nicht als eine