2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 233
Literatur: Arnold, Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861.
Rosenthal, Zur Geschichte des Eigentums in der Stadt Würzburg, 1868. Halban-
Blumenstock, Entstehung des deutschen Immobiliareigentums, 1894. e Marez, Etude
sur la propriété foncisre dans les villes du moyen &ge, 1898. Gierke, D.P.R. II / 120.
Hübner s 31.
§ 47. Das geteilte Eigentum. Um die mittelalterlichen Leiheverhältnisse, bei denen
mehrere ein die Sache im ganzen ergreifendes Herrschaftsrecht hatten, mit dem römischen
Recht in Einklang zu setzen, entwickelten die Glossatoren und Postglossatoren die Theorie eines
neben dem dominium directum des Herrn bestehenden dominium utile des Besitzers. Man
berief sich hierfür auf die in den Quellen dem Emphyteuta und Superfiziar gewährte actio
in rem utilis, aus der ein ius utile folge. Diese Theorie nahm man, da man unmöglich allen
Basallen und Zinsbauern ein bloßes ius in re aliena zuschreiben konnte, in Deutschland auf,
gestaltete sie aber im Sinne der Unterscheidung von „Obereigentum“ und „Untereigentum“
oder „nutzbarem Eigentum“ um. Der Begriff des geteilten Eigentums ging in die Reichs-
gesetze, die gemeinrechtliche Praxis und die Landesgesetze über und hat sich trotz der Bekämpfung
durch die neuere Jurisprudenz, die ihn für logisch unmöglich erklärte, im positiven Recht er-
halten. Er ist eben zwar mit dem römischen, nicht aber mit dem deutschen Eigentumsbegriff
unvereinbar. Bei geteiltem Eigentum steht das volle Eigentum nur dem Ober- und Unter-
eigentümer zusammen, jedem von ihnen für sich aber ein Befugnisinbegriff zu, der die Sache
im ganzen ergreift und als selbständig vererbliches, veräußerliches und vindizierbares Eigen-
tum gilt, auch durch Wegfall des anderen Rechtes zu Volleigentum wird. Das geteilte Eigen-
tum ist indes, nachdem es seine große historische Mission der Wiederaufteilung des in den
Händen weniger zusammengeflossenen Grundeigentums erfüllt hat, im größten Teile Deutsch-
lands durch gesetzliche Verwandlung des Untereigentums in Volleigentum beseitigt. Dabei
wurde vielfach seine Neubegründung für die Zukunft verboten. Das BGB. kennt es nicht,
läßt es aber auf den dem Landesrecht vorbehaltenen Gebieten da, wo es noch anerkannt ist,
unberührt.
Literatur: Gierke, D. P.R. II § 131. Hübner 32.
§ 48. Das gemeinschaftliche Eigentum. Das deutsche Recht kannte von je, schuf stets
von neuem und bewahrte bis heute zahlreiche Formen von kollektivem Eigentum, die weder
eine ausschließliche Sachherrschaft einer juristischen Person noch ein in gesonderte ideelle Anteile
der Teilhaber zerlegtes Miteigentum darstellen. Die romanistische Theorie zwängte sie in
die eine oder andere Kategorie. Die Germanisten aber stellten seit Ende des 17. Jahrhunderts
— es war dies ihr erster Versuch selbständiger Begriffsbildung — den Zwischenbegriff eines
deutschrechtlichen Gesamteigentums (condominium juris Germanici) auf, der auch auf die Ge-
setzbücher einwirkte. Man konstruierte es teils als condominium plurium in solidum, wobei
sich das Recht eines jeden auf die ganze Sache erstrecke (so Justus Veracius i. J. 1681
für die Bamberger eheliche Gütergemeinschaft), teils als Eigentum der zur „persona moralis“
verbundenen Gesamtheit (so das Naturrecht). Die neuere romanistische und romanisierende
germanistische Jurisprudenz verwarf den Begriff. Er bedarf aber nur der Läuterung, die
ihm die deutschrechtliche Genossenschafts- und Gemeinschaftslehre verschafft hat. In der Tat
gibt es (auch nach dem BGB.) neben dem Miteigentum nach Bruchteilen, bei dem das Eigen-
tum als solches in frei verfügbare Anteile zerfällt, echtes Gemeinschaftseigentum (an Grund-
stücken, Gerechtigkeiten, besonders auch an einem Sondervermögen als solchem). Es ist aber
entweder genossenschaftliches Gesamteigentum, bei dem die Eigentumsbefugnisse teils bei einer
Verbandsperson konzentriert, teils in Sonderrechte der Mitglieder zerstreut sind, oder Ge-
meinschaftseigentum zur gesamten Hand, bei dem die Eigentumsbefugnisse teils der zur Per-
soneneinheit verbundenen Gesamtheit, teils den einzelnen Gemeinern zustehen. Das Nähere
bestimmt dort die Genossenschaftsverfassung, hier die Ordnung der personenrechtlichen Ge-
meinschaft.
Literatur: Oben zu i 30 u. 34. Duncker, Das Gesamteigentum, 1843. Gierke,
D. P. R. II § 132. Hübner # 33.
8 49. Erwerb und Verlust. Die älteste Erwerbsart von Grundeigentum war An-
eignung durch die Volksgesamtheit und Zuteilung an engere Verbände und Einzelne.