242 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
anderswo verstümmelt. Diese Trümmer läßt auch das BGB. unberührt (EG. a. 59). Außer—
dem behält das Lehnrecht neben seiner historischen Bedeutung einen dogmatischen Wert, weil
es auf andere Rechtsinstitute vorbildlich eingewirkt hat.
Literatur: P. Roth, Geschichte des estialesen# 1850; Feudalität u. Untertanen-
verband, 1863. Waitz, Ges. Abh. 1 178 ff., 318 ff. Brunner, Forschungen S. 1 ff., 75 ff.
Hübner #K# 47—48. — Homeyer, System des Lehnrechts, in Sachsenspiegel II 2. — K. Leh-
mann, Die Entstehung der libri feudorum, 1891; Consuetudines feudorum, I. Compilatio
antiqua, 1892; Das langobordische Lehnrecht, 1896. — Lud. Schrader, Tractatus feudalis,
1594. a Rosenthal, Tractatus et Synopsis totius juris feudalis, 1597. Schilter, Ad
jus feudale, 1695. G. L. Boehmer, Principia juris feudalis, 1765, ed. Bauer, 1819; Komm.
azu v. Schnaubert, 2. Aufl. 1791. Pätz, Lehrbuch des Lehnrechts, 1808. G. M. Weber,
buch des in Deutschland üblichen Lehnrechts, 4 Bde., 1807 ff. Darstellungen des preuß.
ehnr. v. Terlinden u. v. Dernburg (im Preuß. P.R.), des pomm. v. Zettwach
(1832), des kursächs. v. K. S. Zachariae (2. Aufl. 1823) des bayr. v. Mayr (1831), des
mecklenb. v. Roth (1868).
§ 56. Begriff und Gegenstände. „Lehen“ heißt an sich „geliehenes Gut“ („feudum“
sogar nur „Gut"). „Echtes Lehen“ (feudum proprium) aber ist nur ein geliehenes Gut, dessen
Gewere zu Ritterdienst und Treue verpflichtet. Fehlt die ritterliche Dienstpflicht, so liegt ein
uneigentliches Lehen (f. improprium) vor; fehlt auch die Treupflicht, so nur ein lehnsähnliches
Verhältnis (keudastrum). Den Gegensatz zu allen feuda und keudastra bildet das Allod
(Alod sind auch die „Sonnenlehen"). Man unterscheidet unter den Eigenschaften des Lehens
die essentialia (Lehnsgewere und Lehnstreue), die naturalia (deren Ausschluß das Lehen zu
einem uneigentlichen macht) und die accidentialia (Abänderungen eines naturale).
Gegenstände des Lehens sind nach gemeinem Recht (II F. 1 # 1) nur Grundstücke
mit Zubehör, besonders Landgüter, Rittergüter (keudum nobile), Burgen (feudum castri,
Burghutlehen und Burgöffnungslehen) usw., und liegenschaftliche Gerechtigkeiten, besonders
Herrschafts- und Amtsrechte (Fahn= und Zepterlehen, Grafschafts-, Gerichts- und Vogteilehen,
Lehen an Hofämtern, Patronatslehen, Postlehen, Schulzenlehen), Regalgerechtigkeiten, Reallast-
berechtigungen (z. B. Zehnten und dingliche Renten), Gewerberechte usw. Die Partikular-
rechte kennen auch Geldlehen.
§57. Die Lehuspersonen. Lehnshauptpersonen sind der Lehnsherr (do-
minus) und der Lehnsmann (Mann, vassallus).
Lehnsherr konnte ursprünglich nur sein, wer waffenfähig, ritterbürtig und im Voll-
besitz der Ehre war; doch wurden früh adlige Frauen, Geistliche, Kirchen und Städte aktiv
lehnsfähig. Das Erfordernis eines höheren „Heerschildes“ in der lehnrechtlichen Standes-
ordnung (Sachsensp. I a. 3, Lehnr. a. 1) fiel schon im Mittelalter weg. Im modernen Staat
wurde die Lehnsherrlichkeit von Untertanen ihrer Bedeutung entkleidet und endlich meist auf-
gehoben. Regelmäßig sind nur noch Landesherren im eigenen Lande Lehnsherren (die „feuda-
extra curtem“ wurden durch die Friedensschlüsse von 1803 bis 1815 beseitigt).
Lehnsmann kann sein, wer passiv lehnsfähig ist. Das ältere deutsche Recht forderte
für echte Lehen Ritterbürtigkeit (Sächs. Lehnr. a. 2 § 1), das langobardische Recht nur freien
Stand (II F. 7 a. 10). Erforderlich ist ferner Vollbesitz der Ehre und Waffenfähigkeit (Sächs.
Lehnr. a. 2, II F. 21, 36). Doch kann der Herr bei der ersten Belehnung von dem Mangel
der Lehndienstfähigkeit absehen.
Lehnsnebenpersonen sind die lehnrechtlichen Stellvertreter. Sie sind Ver-
treter kraft eigenen Rechts. Als „Procoominus“ ist namentlich bei Verbandspersonen das Ver-
bandshaupt zum Träger der Lehnsherrlichkeit berufen; so der Prälat für die Kirche, der Bürger-
meister für die Stadt, der Kaiser oder Landesherr für das Reich oder den Staat („prodominium
sublime“). Ein „Provassallus“ oder „Lehnsträger“, der selbst lehnsfähig sein muß, Eid
und Dienst leistet und das Gut nach außen vertritt, Gewere und Nutzung aber dem Vassallen
belassen muß, wird für Lehnsunfähige, für Verbandspersonen und für mehrere zu gesamter
Hand beliehene Vassallen bestellt. Nach älterem deutschen Recht fiel, solange der Vassall un-
mündig war, die Lehnsvormundschaft mit dem Angefälle (den Nutzungen) dem Herrn zu, der
sie behalten oder als Vormundschaftslehen übertragen konnte; später wurde bisweilen die
Lehnsträgerschaft mit Lehnsvormundschaft verbunden.