Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 247 
eine Geldbuße (Lehnsemende) nach sich (II F. 23, 24 § 9). Die Felonie bedarf aber, vom 
Falle der Veräußerung abgesehen, der Geltendmachung seitens des Herrn durch gerichtliche 
Klage, die als actio vindictam spirans unvererblich ist und nicht gegen die Erben geht und 
durch Verzeihung (Pardonie) ausgeschlossen wird. Nach gemeinem Recht ist das Lehen auch 
für die Nachkommen verwirkt, während nach deutschen Partikularrechten der Herr das Lehen 
auch dem schuldlosen Nachkommen, sobald er sukzediert, herausgeben muß. Der Vassall ver- 
wirkt das Lehen auch durch Quasifelonie, d. h. eine nicht unmittelbar gegen den Herrn ge- 
richtete, ihn aber lehnsunwürdig machende Handlung; dann fällt aber das Lehen sofort an 
den Lehnsfolger. # 
Erlischt die Lehnsherrlichkeit, so tritt die „Appropriation“ ein, durch die das 
Untereigentum in Volleigentum verwandelt wird. So bei erblosem Wegfall bas Lehnsherrn, 
bei Verwirkung der Lehnsherrlichkeit durch Felonie (II F. 26 8 24, 47), besonders aber bei 
vertragsmäßiger (in Preußen seit 1717 vielfach durch königliche Deklarationen und Annahme- 
erklärungen der Vassallen vollzogener) oder gesetzlicher „Allodifikation“. Die gesetzliche Auf- 
hebung des Obereigentums erfolgte im Laufe des 19. Jahrhunderts vielfach (z. B. durch 
preuß. Ges. vom 2. März 1850 + 2 außer für Thronlehen) ohne Entschädigung; anderswo 
(z. B. in Bayern und Baden) wurde das Obereigentum abgelöst. Das allodifizierte Lehen 
bleibt ein Lehen ohne Lehnsherrlichkeit, an dem die Rechte der Anwärter fortbestehen. 
Die Beendigung des Lehnsverhältnisses im ganzen erfolgt durch Untergang des 
Objektes, Eintritt einer gesetzten Endfrist oder Resolutivbedingung, Ersitzung seitens eines Dritten, 
Veräußerung zu Allod und gesetzliche Aufhebung. Die völlige Auflösung des Lehnsverbandes 
ist durch neuere Gesetze (in Preußen durch Provinzialgesetze von 1867—1877) im größten 
Teil Deutschlands vollzogen. Dabei ist bald die Nachfolge nach Lehnrecht noch für den ersten 
Fall gewahrt, bald eine Entschädigung der Anwärter vorgeschrieben; in Preußen hat der 
letzte Besitzer, falls er keine lehnsfähigen Nachkommen hat, die Wahl zwischen Abfindung der 
Anwärter oder Umwandlung in ein Familienfideikommiß (vgl. RGer. XXII Nr. 67). 
Abschnitt IV. Die niederen Leiherechte. 
§ 8. Die bäuerliche Landleihe. 
I. Alteres deutsches Recht. Neben den höheren Leiheverhältnissen nach Dienst- 
recht entstanden seit der fränkischen Zeit zahlreiche Leiheverhältnisse nach Hof- 
recht. Charakteristisch für sie war eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Leiheguts von einem 
Fronhos, als dessen Zubehör es galt und zu dem von ihm Zins zu zahlen und oft auch Arbeits- 
dienst zu leisten war. Obschon damit zugleich eine Minderung der persönlichen Freiheit ver- 
bunden war, nahmen nicht nur viele Freie solche Leihegüter von den Grundherren an, sondern 
trugen mehr und mehr auch freie Bauern ihr bisheriges Eigentum zu Leihegut auf. Um so 
leichter konnten dann auch die Besitzrechte von Hörigen und Unfreien an den ihnen ver- 
liehenen Gütern sich verfestigen. Im deutschen Mittelalter trat eine weitere Fortbildung, 
zugleich aber eine immer reichere Differenzierung der hofrechtlichen Leihe ein, so daß je nach 
Zeit und Ort sehr ungleiches Recht daraus entsprang. Immer wurde das Besitzrecht durch 
eine hofrechtliche Investitur („Belehnung“, „Empfang“), woran sich Ausstellung eines Leihe- 
briefes schloß, begründet. Der Besitzer hatte am Gute eine Gewere nach Hofrecht und somit 
auch ein dingliches Recht. Dieses konnte auf Zeit, auf Lebenszeit, auf mehrere Leiber, auch 
auf Widerruf eingeräumt sein, erstarkte aber im allgemeinen mehr und mehr zu einem 
dauernden erblichen Recht (Erbzinsrecht). Doch blieb die Vererbung oft auf nähere Erben 
beschränkt; auch behielt der Herr vielfach das Recht auf einen Sterbefall (mortuarium, Best- 
haupt, buteil). Das bäuerliche Besitzrecht war ferner veräußerlich; ursprünglich regelmäßig 
nur durch die Hand des Herrn, der aber später oft zur Zustimmung verpflichtet wurde, falls 
nur der Erwerber tüchtig war, und endlich vielfach nur noch ein Näherrecht behielt (unten § 80); 
dabei waren jedoch meist Besitzveränderungsabgaben zu entrichten (laudemium, Handlohn, 
Ehrschat). Beim Wegfall des bäuerlichen Rechts, das meist auch durch Zins- oder Dienst- 
versäumnis und bei manchen Gütern durch schlechte Wirtschaft verwirkt werden konnte, er 
folgte der Heimfall an den Herrn.
	        
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