Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 261 
ein unentziehbares Wartrecht, möglicherweise auch bestimmte Genuß= oder Bezugsrechte und 
Anteil an der Verwaltung. 
Eine Veräußerung durch den jeweiligen Besitzer ist nichtig. Die Nichtigkeit kann 
jeder Anwärter geltend machen, jedoch nach der herrschenden gemeinrechtlichen Praxis erst im 
Sukzessionsfalle; die Partikularrechte gestatten, indem sie an der Verwirkungsfolge der Ver- 
äußerung festhalten, sofortige Anstellung der actio revocatoria. Dingliche Belastungen kann 
jeder Nachfolger als nichtig behandeln. Die Anfechtung wird durch Konsens ausgeschlossen; 
doch bindet gemeinrechtlich der Konsens die Nachkommen nicht. Partikularrechte ermöglichen 
indes eine endgültige Veräußerung oder Belastung mit Zustimmung aller lebenden Anwärter 
und gerichtlicher oder landesherrlicher Bestätigung; nach preußischem Recht genügt ein ein- 
stimmiger Familienbeschluß der auf gerichtliche Ladung erschienenen Familienmitglieder. Auch 
sind gewisse Abveräußerungen und Belastungen mit Zustimmung der zwei nächsten Anwärter 
wirksam oder noch mehr erleichtert. 
Die Fideikommiffolge ist Sondernachfolge in ein Sondervermögen, die streng 
auf dem Gedanken der unmittelabren Berufung jedes Anwärters durch die Willenserklärung 
des Stifters beruht. Jeder Anwärter sukzediert daher auf Grund eines ihm vom Stifter ver- 
liehenen, von dem Rechte des Vorgängers unabhängigen und für diesen unantastbaren Rechts; 
auch die Nachkommen des letzten Besitzers können das Fideikommiß annehmen und die Allodial- 
erbschaft ausschlagen (II F. 45 ist unanwendbar; vgl. Seuff. XXXV Nr. 44). Der Ver- 
zicht des Besitzers kann die Rechte der Anwärter nicht beeinträchtigen, aber die Eröffnung der 
Fideikommißfolge in gleicher Weise wie der Tod herbeiführen. Der Kreis der Folgeberechtigten 
bestimmt sich nach dem Willen des Stifters; im Zweifel ist Abstammung vom ersten Erwerber 
und Zugehörigkeit zum Mannsstamme erforderlich; subsidiär werden meist Kognaten berufen. 
Die Folgeordnung richtet sich gleichwohl im Zweifel nach der Nähe zum letzten Besitzer (unten 
§5W 129). — Für Allodialschulden des Vorgängers haftet der Fideikommißfolger als solcher nicht; 
nach Analogie der Lehnsschulden sind aber Fideikommißschulden anerkannt; doch kann auch 
wegen ihrer der Gläubiger sich regelmäßig nur an die Früchte halten. — Die Sonderung von 
Fideikommiß- und Allodialvermögen erfolgt nach ähnlichen Regeln wie die Lehnssonderung. 
Beendigt wird das Fideikommiß durch Untergang des Gegenstandes; durch Er- 
löschen der Familie, womit freies Eigentum des letzten Besitzers entsteht; nach Partikularrechten 
(nicht nach gemeinem Recht) durch übereinstimmende Willenserklärung der derzeitigen Familien- 
glieder mit gerichtlicher oder landesherrlicher Bestätigung, in Preußen durch Familienschluß; 
endlich durch gesetzliche Aufhebung, wie sie in den Gebieten des französischen Rechts durch Code 
civ. a. 896 und in Deutschland vorübergehend 1806 bis 1815 und wieder seit 1848 (endgültig 
in Oldenburg) erfolgt ist. 
Literatur: Knipschild, Tract. de fideicommissis familiarum nobilium, 1694. Lewis, 
Das Recht des Familienfideikommisses, 1868. Hoffmann, Zur Geschichte der Familien- 
fideikommisse, 1864. Rosin, Jahrb. f. Dogm. XXXII 323 ff. Gierke, Handwörterbuch 
der Staatswiss.“ IV 104 ff. O. H. Gierke, Der Verzicht des Fideikommißbesitzers, Jahrb. f. D. 
XLIX 187 ff. 
§ 73. Die Bauergüter. Seitdem im Mittelalter sich die Landbevölkerung unabhängig 
von freier und unfreier Geburt in Ritter und Bauern schied, nahmen mehr und mehr die 
Landgüter selbst die neue Standeseigenschaft an. Gegenüber den „Rittergütern“ („adligen 
Gütern"), mit denen Adelsvorrechte als Realrechte verknüpft wurden, erschienen nunmehr die 
„Bauergüter“ als Güter, die regelmäßig mit Lasten beschwert waren. Für die meisten 
Bauergüter führten die Rechtsverhältnisse des abgeleiteten Besitzes (§ 68) oder doch ihre Unter- 
ordnung unter einen gutsherrlichen Schutzverband eine starke Gebundenheit herbei. Doch 
gab es stets auch Bauergüter und andere nichtadlige Landgüter in vollem und freiem 
Eigentum. 
Nach der Rezeption wurde in den meisten Territorien ein Sonderrecht für Bauer- 
güter ausgebildet. Hierbei war aber nicht der Gegensatz zum Rittergut, sondern der wirt- 
schaftliche Begriff eines mittleren Landgutes, auf dem die Landwirtschaft (im Gegensatz zu 
den kleinen Stellen der Häusler, Büdner, Handwerker usw.) als selbständiger Nahrungszweig, 
aber (im Gegensatz zum Großgrundbesitz) unter persönlicher Mitarbeit des Wirtes betrieben
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.