Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

252 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
wird, ausschlaggebend. Der leitende Gedanke dieses Sonderrechts war die Erhaltung solcher 
Güter in ihrem wirtschaftlichen Bestande. In diesem Sinne wirkten vielfach die Grundherren, 
besonders aber die Landesherren, die einen steuerfähigen und kriegstüchtigen Bauernstand zu 
erhalten strebten, rechtsetzend ein. Doch kamen ihnen auch, zumal da die Neubildung meist 
nur Umbildung deutschrechtlicher Institute war, die Standesrichtung und der Familiensinn 
der Bauern entgegen. Dieses Sonderrecht bewirkte eine von den Einschränkungen des bäuer- 
lichen Besitzrechtes durch Herrenrecht unabhängige und neben ihnen wirksame objektive Ge- 
bundenheit der Bauergüter. Sie äußerte sich vor allem in der gesetzlichen Unteilbarkeit (Ge- 
schlossenheit) der Bauergüter. Im Zusammenhange damit wurde die Sondererbfolge in 
Bauergüter (Anerbenrecht) mit ihrer Ergänzung durch die Gutsabtretung unter Vorbehalt 
des Altenteils und die Interimswirtschaft für den minderjährigen Anerben ausgebildet. 
Im 19. Jahrhundert wurde das Sonderrecht der Bauergüter im größten Teil Deutschlands 
(besonders in Preußen) beseitigt. Doch wurde es in einzelnen Ländern nur reformiert und in 
neuester Zeit zum Teil in neuen Formen (vielfach unter Ausdehnung auf andere Landgüter) 
wiederhergestellt. Uberdies erhielt es sich zäh in der bäuerlichen Sitte. Der Schwerpunkt 
ist dabei in die besondere Erbfolge verlegt, weshalb davon im Erbrecht gehandelt werden soll 
(unten § 130). 
Eine neue Form gebundener Güter schuf die preußische Gesetzgebung (zuerst für Posen 
und Westpreußen durch das Ansiedelungsgesetz vom 26. April 1886, dann allgemein durch 
Gesetze vom 27. Juni 1890 und 7. Juli 1891) in den Rentengütern. Es sind dies An- 
siedlungsgüter, die (in geeigneten Fällen unter staatlicher Vermittlung und mit Kredithilfe 
der Rentenbank) gegen Übernahme einer dinglichen Rente vergeben werden. Sie stehen im 
vollen Eigentum des Besitzers. Allein, das Eigentum kann durch Vereinbarung der Unab- 
löslichkeit der Rente, des Erfordernisses der Einwilligung des Rentenberechtigten zu Veräuße- 
rungen und Teilungen und der Verpflichtung des Eigentümers zur ordnungsmäßigen Be- 
wirtschaftung und zur Erhaltung der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Gutes gebunden werden. 
Dazu tritt gesetzliches Anerbenrecht (unten § 130). 
Abschnitt VI. Die Dienstbarkeiten. 
§ 74. Die Dienstbarkeiten überhaupt. Unter der Fülle dinglicher Belastungen der Grund- 
stücke im Mittelalter befanden sich auch solche mit dem Inhalt der römischen Servituten. In 
der Hauptsache wurden freilich die Prädialservituten durch gleichinhaltliche Ausflüsse der ge- 
nossenschaftlichen und herrschaftlichen Eigentumsverteilung und des Nachbarrechts ersetzt; doch 
konnten auch selbständige dingliche Rechte auf begrenzte Benutzung eines Grundstücks oder 
auf Untersagung einer bestimmten Benutzung in beliebigem Umfange als Real= oder Personal- 
rechte bestellt werden und kamen auf dem Lande wie in den Städten vielfach vor. Dem 
römischen ususfructus entsprach die Leibzucht, die vorzugsweise als Ausfluß personenrechtlicher 
Verhältnisse ausgebildet war, aber auch selbständig begründet werden konnte. 
Seit der Rezeption wurde die römische Serwitutenlehre angewandt. Man unter- 
stellte jedoch dem Begriff der Servitut nun auch ungleichartige dingliche Rechte einheimischer 
Herkunft — dem Begriff der Grunddienstbarkeit Gemeindenutzungsrechte, Rechte des Ober- 
eigentümers, ja auch Reallasten und Bannrechte, dem Begriff des ususfructus die familien- 
rechtlichen Nutzungsrechte („ususkructus juris Germanici“) — und vergewaltigte so gleich- 
zeitig deutsches und römisches Recht. Erst allmählich wurden die fremdartigen deutschrecht- 
lichen Verhältnisse wieder ausgeschieden. Für die wirklichen Dienstbarkeiten blieb das ge- 
reinigte römische Servitutenrecht mit mancherlei deutschrechtlichen Abwandlungen in Kraft. 
Auf diesen Boden stellte sich auch das BG. 
Als Grunddienstbarkeiten, die ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigen- 
tümers eines anderen Grundstücks belasten, läßt das BG. im Gegensatz zum deutschen Recht 
nur noch solche Belastungen zu, die auf einen Vorteil des herrschenden Grundstücks als solchen 
gerichtet sind. Den Inhalt der Belastung kann nur ein Dulden oder Unterlassen, nebenbei 
jedoch die als eingemischte Reallast geltende Verpflichtung zur Erhaltung des Grundstücks oder 
einer Anlage in geeignetem Stande bilden. Auch hinsichtlich der Grunddienstbarkeiten ist das
	        
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