2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 253
Grundbuchrecht streng durchgeführt, so daß eine Ersitzung ohne Eintragung nicht mehr statt-
findet; doch haben nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten älterer Herkunft, soweit das Landes-
gesetz nichts anderes bestimmt, volle dingliche Wirksamkeit behalten (EG. a. 187). Im Inter-
esse der Landeskultur wurde die einseitige Ablösung mancher kulturhinderlich gewordener länd-
licher Dienstbarkeiten zugelassen und staatlich befördert, oft auch die Neubegründung solcher
Dienstbarkeiten ausgeschlossen; in dieser Hinsicht gilt Landesrecht fort.
Mit gleichem Inhalte wie Grunddienstbarkeiten können beschränkte perfsön-
liche Dienstbarkeiten an Grundstücken bestellt werden, jedoch nicht mehr, wie bisher,
als vererbliche und auch nicht als veräußerliche Rechte. Dagegen kann die Zulässigkeit der Über-
lassung der Ausübung an andere bedungen werden. Somit können sich in diese Form auch
die deutschrechtlichen „Gemeindeservituten“ kleiden, bei denen das Subjekt eine juristische
Person ist, den Mitgliedern aber Sonderrechte auf die Ausübung zustehen.
Fast nur den Namen noch hat mit den anderen Dienstbarkeiten der Nießbrauch
gemein, der nicht nur an Grundstücken, sondern auch an beweglichen Sachen und unkörper-
lichen Gegenständen möglich ist. Die familienrechtlichen Nutzungsrechte fallen nicht mehr
unter den Begriff des Nießbrauchs. Ebensowenig das Recht des Geistlichen an der Pfründe.
Literatur: Gierke, D. P.R. II # 143—145, 147. Hübner #s 49. H. Naendrup,
Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900.
§ 76. Wege-, Weide= und Waldrechte.
I. Wegerechte. Die Wege teilen sich in öffentliche Wege, an denen ein öffent-
liches Recht des Gemeingebrauchs (bei Gemeindewegen wenigstens für die Gemeindegenossen)
besteht, und Privatwege, zu deren Benutzung Eigentum, Nachbarrecht oder Dienstbarkeit be-
rechtigen kann. Für den Inhalt der Wegerechte gelten je nach der Zweckbestimmung gesetz-
liche Regeln deutscher Herkunft, die sich dem römischen Recht gegenüber erhalten haben, jedoch
partikularrechtlich mannigfach verschieden sind.
II. Weiderechte (Hutrechte). Teils aus der genossenschaftlichen und herrschaft-
lichen Eigentumsverteilung, teils aus Dienstbarkeiten entstammten massenhafte Weiderechte.
Nach der Rezeption gingen viele andersgeartete Weiderechte in Servituten über: so die Weide-
rechte auf der Allmende in Serwituten am Gemeinlande, die Gesamtweiderechte auf fremder
Gemarkung in Gemeindeservituten, das gemeine Weiderecht auf der Feldmark (Brache und
Stoppel) in eine servitus mutua („Koppelweide“). Hinsichtlich der Ausübung der Weiderechte
erhielten sich deutschrechtliche Grundsätze, die in neueren Gesetzen fortgebildet wurden. Dazu
gehört die Bemessung des Umfanges bei unbestimmter Stückzahl nach dem „Durchwinterungs-
fuß“, demzufolge so viel Vieh aufgetrieben werden darf, als mit dem auf dem berechtigenden
Gute gewonnenen Futter durchwintert werden kann. Desgleichen die Beschränkung der
Ausübung durch die Unterscheidung der „offenen" und der „)geschlossenen“ Zeit, die „Zugordnung“
und die Vorschriften über „pfleglichen“ Auftrieb. Eine besondere Ausgestaltung erfuhr das
Schäfereirecht, das meist dem Gutsherrn die Schafweide in der ganzen Gemarkung sicherte
und oft mit dem ausschließlichen Recht der Schafhaltung über eine bestimmte Zahl (Schäferei-
gerechtigkeit) verbunden war. Als Nebenrechte begegnen das „Pferchrecht“ (Recht auf Lage-
rung einer Schafherde während der Pferchzeit in einer Hürde, damit der Dung dem Grund-
stücke zugute komme) und das „Stabrecht“ (Recht der Hirtenbestellung für eine gemeinsame
Schafherde). — Die neuere Agrargesetzgebung hat die Weiderechte auf fremdem Boden viel-
sach beseitigt, ja zum Teil ihre Neubegründung verboten; doch sind auch neue Weidegemeinschaften
gesetzlich begründet worden.
III. Waldrechte. Die zahlreichen Nutzungsrechte am Walde, die nach der Rezeption
vielfach zu Serwituten wurden, zerfallen in Weiderechte, insbesondere „Blumenhut" (Wald-
weide) und „Mastrecht“ (das nach dem Ertrage des Jahres im Umfange wechselnde Recht,
die Baumfrüchte durch Schweine aufweiden zu lassen), Beholzigungsrechte (Bau-, Brenn-
und Nutzholz) und kleine Waldrechte (Windbrüche, Raff= und Leseholz, Laubsammeln, Streu-
rechen, Gräsereirecht, Plaggenhieb usw., einst auch Zeidelweide, Kohlenbrennen, Harzscharren,
Teerschwelen). Neuerdings wurden die meisten abgelöst. Insbesondere opferte der Staat