2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 255
seweiligen Eigentümer aus dem Grundvermögen zu erfüllen ist und sich auch auf Rückstände
aus der Zeit des Vorbesitzers (bis zur Verjährung) erstreckt, während sie den ehemaligen Eigen-
tümer auch für Rückstände nicht mehr ergreift. Aus manchen Reallasten indes entspringt nach
älteren und neueren Quellen daneben für den Eigentümer eine persönliche Schuld hinsichtlich
der während seines Eigentums fällig werdenden Leistungen. Nach dem BE#B. gilt dies all-
gemein; die akzessorische persönliche Schuld ist jedoch nicht begriffswesentlich, da sie wegbedungen.
werden kann.
Der im gemeinen Recht und den meisten Partikularrechten bei Reallasten gewährte
Besitzschutz findet nicht mehr statt, da ein Rechtsbesitz hier vom B##B. nicht anerkannt wird.
Die Beendigung der Raallast kann durch dingliches Rechtsgeschäft erfolgen. Bei
mablöslichen Reallasten ist Willenseinigung erforderlich; bei ablöslichen kann entweder jeder
Teil oder doch der Verpflichtete stets oder bei Eintritt des Ablösungsrechts die Aufhebung gegen
Zahlung der Ablösungssumme, die ein bestimmtes Vielfaches des jährlichen Geldwertes be-
trägt, erzwingen. Manche Reallasten erlöschen durch Tod, andere, wie namentlich die durch
Verrechnung eines Rententeils auf die Ablösungssumme zu amortisierenden Ablösungsrenten
und sonstigen Tilgungsrenten, durch Zeitablauf.
Von den Arten der Reallasten sind einige typisch ausgebildete Formen hier noch zu
behandeln (§ 77 u. 78). Andere gehören ins Familienrecht. Die öffentlichrechtlichen Real-
lasten scheiden aus dem Privatrecht aus, stehen aber unter ähnlichen Regeln und greifen teil-
weise (wie die Deichlast) tief ins Privatrecht ein.
Literatur: Duncker, Die Lehre von den Reallasten, 1837. Renaud, Beiträge zur
Theorie d. Reallasten, 1846. Friedlieb, Die gachtetherre d. Reallasten, 1861. v. Schwind,
Die Reallastenfrage, Jahrb. f. Dogm. XXXIII 1 ff. Pflüger, Arch. f. z. Pr. LIXXXI 292 ff.
Judeich, Die Grundentlastung, 1863. Gierke, D. P.R. II 8148—149. Hübners 51—52.
v. Schwerin S. 66 ff.
§ 77. Grundzinse, Zehnten und Fronden.
I. Grundzinse (Bodenzinse, census) sind Reallasten, die zu wiederkehrenden festen
Abgaben verpflichten. Die meisten ehemaligen Grundzinse waren Naturalzinse (in Korn, Odbst,
Hühnern, Eiern, Honig, Wachs, Wein usw.); daneben finden sich früh Geldzinse. Die Leistung
muß im Zweifel in mittlerer Qualität der auf dem Gute gewonnenen Früchte (RGer. I Nr. 129)
zu rechter Zeit (teils an den allgemeinen Gerichtstagen, teils an bestimmten Festtagen) am rechten
Orte (die Vermutung spricht für Bringzins, manche Zinse aber sind als Gatterzinse vom
Zinssammler zu holen) erfolgen. Säumnis bewirkt Verzugsfolgen, bei „Gefahrzinsen“ Guts-
verlust, bei „Rutscherzinsen“ Verdoppelung oder noch weitere Vervielfältigung der Zinsschuld.
II. Zehnten (decimae) sind Reallasten, die zur wiederkehrenden Abgabe eines Bruch-
teils (meist ein Zehntel) des Ertrages verpflichten. Die Kirche nahm den zehnten Teil der
Bodenerträge als Kirchensteuer in Anspruch, setzte aber trotz der Unterstützung durch fränkische
Kapitularien weder ein allgemeines noch ein ausschließliches Zehntrecht durch. So blieb der
Zehnt eine auf besonderen Rechtstiteln beruhende Reallast, die nur besonders häufig als „Kirchen-
zehnt“ begründet war, aber auch als „Laienzehnt“ vorkam. Auf ursprünglichen Kirchenzehnt
findet das kanonische Recht (tit. X de decimis 3, 30, in VIo 3, 13, Conc. Trid. sess. 21 c. 7 de
ref.) Anwendung (besonders hinsichtlich der Veräußerung und der auf ihm ruhenden Kirchen-
baulast). — Der Zehnt heißt „Universalzehnt“, wenn er die ganze Gemarkung ergreift, und um-
faßt dann auch den „Rottzehnt“ (vom Neubruch), den aber in manchen Territorien der Fiskus
in Anspruch nahm. Der „Generalzehnt“ wird von jeder Fruchtart, der „Feldzehnt“ von den
Feldfrüchten (der „große“ von Getreide, Wein, auch Heu, der „kleine“ von Knollengewächsen,
Gemüse, Obst), der „Blutzehnt“ vom Vieh (das zehnte Tierjunge) geschuldet. Der Feldzehnt
ist im Zweifel vom Berechtigten zu holen und heimzuführen (Auszählung nach Haufen). Unter-
läßt der Belastete die Bestellung, oder baut er eine zehntfreie Fruchtart, so entgeht dem Zehnt-
herrn der Zehnt (anders nach Partikularrechten). Aus der Fixierung des „Zugzehnten“ ist
der „Sackzehnt“, aus der Adärierung der „Geldzehnt" entstanden.
III. Fronden (Dienste, Robotten, Scharwerk) sind Reallasten, die zu wiederkehrender
körperlicher Arbeitsleistung verpflichten. Neben den größtenteils aufgehobenen oder abge-